Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Dreizehn Jahre zählten die jungen Mädchen nun und mussten sich daran gewöhnen, schon bald zu den Frauen zu gehören.
»Ich fühle mich so seltsam traurig, als wenn dies unser letzter gemeinsamer Abend hier wäre«, platzte Jimena heraus, ehe sie sich über ihre eigenen Gedanken im Klaren war.
»Was? Wie kommst du denn auf solch einen Einfall?«, hakte Isabel nach, die immer sehr wachsam wurde, wenn ihre Freundin etwas Merkwürdiges sagte. Beatriz behauptete zwar, das würde sie nur tun, um sich wichtig zu machen, doch Isabel schien tiefer blicken zu können, und es war ihr offensichtlich bewusst, dass meist mehr hinter solch kryptischen Worten steckte.
Jimena sah zu ihrer Tante Dominga hinüber, die, wie so oft, neben der Königinwitwe saß. Sie fing den Gedanken auf und antwortete, ohne den Blick zu heben.
Ja, es stehen Veränderungen an. Es werden noch heute Abend Besucher in Arévalo ankommen.
»Was für Besucher?«, erkundigte sich Jimena und bemerkte erst, als Beatriz nachhakte, dass sie die Worte laut ausgesprochen hatte.
»Es kommt Besuch? Das ist doch nichts Besonderes, oder?«
Nun ruhte auch Isabels Nadel in ihrem Schoß. »Weißt du, wer uns besuchen wird?«, fragte sie leise. »Jemand Wichtiges?«
Doch ehe sich Jimena darüber klar geworden war, meldete einer der Diener seine Exzellenz, den Erzbischof von Toledo, Alfonso Carrillo de Acuña, und dessen Neffen, Juan Pacheco, den Marquis von Villena.
Isabel stieß Jimena in die Seite und raunte: »Du wusstest es! Wieder einmal vor allen anderen. Also entweder hast du gelauscht oder du bist eine Hexe wie deine Tante.«
»Meine Tante ist keine Hexe!«, widersprach Jimena, deren Aufmerksamkeit sich den beiden Männern zuwandte, die von der sichtlich überraschten Königinwitwe begrüßt wurden. Sie hatte an diesem Abend ihre klaren Stunden und wirkte zwar älter, als sie war, aber würdig. Ungeachtet dessen hatte Jimena mit ihrer Ahnung am Abend ihrer Ankunft auf dem Schloss recht behalten. Der Geist Isabels von Portugal verfiel zusehends. Mal stieß sie wie eine Furie auf jeden herab, der sich in ihre Nähe wagte, und keifte, dass man es durch den halben Palast schallen hörte, dann wieder versank sie in tiefe Trauer, sprach nicht, aß nicht und schien bereits in einer anderen Welt zu wandeln, wo selbst Domingas aufmunternde Worte und Kräutertränke sie nicht mehr erreichen konnten.
Doch heute schien alles gut, und die Stiefmutter des Königs lächelte die Männer huldvoll an, die sich ehrerbietig vor ihr verbeugten.
»Exzellenz, Marquis, welch freudige Überraschung! Was könnte es für einen Grund geben, Euch in mein bescheidenes Heim nach Arévalo zu führen?«
Die Frage war durchaus berechtigt. Der Erzbischof war vermutlich der mächtigste Kirchenmann im Reich und dazu des Königs Beichtvater, und der Marquis zählte zu den engsten Vertrauten bei Hof, der vielleicht am längsten an König Enriques Seite stand – hatte er ihm doch schließlich bereits als Page gedient. Während der Erzbischof bereits ergraute und die fünfzig sicher schon hinter sich gelassen hatte, befand sich der Marquis im besten Mannesalter. Neugierig musterte Jimena die beiden Männer. Sie konnte spüren, dass sie in ihrem Leben noch eine wichtige Rolle spielen würden, doch ob zum Guten oder zum Schlechten wusste sie nicht zu sagen.
Der Erzbischof trug ein Gewand, wie Jimena noch keines gesehen hatte, so prachtvoll und verschwenderisch verziert wallte es ihm bis zu den Füßen. Und trotz der Weite des leuchtend roten Stoffes konnte sie den üppigen Leibesumfang des Kirchenmannes erahnen, der dem Essen und Trinken offensichtlich nicht abgeneigt war und die Askese anderen überließ. An seinen kurzen, dicken Fingern prangte neben seinem Bischofsring noch weiteres wertvolles Geschmeide. Eine schwere Kette ruhte auf seiner Brust. Seine Haltung und sein Blick sprachen davon, dass er sich seiner Macht und seiner Stellung durchaus bewusst war und sie für gottgegeben und gerecht hielt. Er genoss dieses Leben, und er würde alles dafür tun, sich diese zu erhalten und dabei sein Vermögen zu mehren.
Jimena war sich nicht sicher, ob sie ihn mochte. Vertrauen sollte man ihm jedenfalls nicht zu sehr, fand sie, denn sie ahnte, dass seine Loyalität vor allem sich selbst galt und er durchaus bereit war, sich neuen Bedingungen mit viel politischem Geschick anzupassen.
Ganz sicher war sie sich dagegen, dass sie den Marquis von Villena nicht mochte! Während aus der Miene des
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