Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
machen.
»Wir werden uns gut verstehen«, behauptete Jimena in diesem festen Tonfall, von dem sie trotz ihrer jungen Jahre schon wusste, dass er andere Menschen überzeugte.
»Ja, das werden wir«, stimmte ihr Beatriz zögernd zu, befand es dann aber für notwendig zu betonen, dass sie für alle Ewigkeit Isabels beste Freundin sei und ihr niemals von der Seite weichen werde.
Jimena runzelte die Stirn. Irgendetwas blitzte in ihr auf, und ehe sie sich sicher war, was für eine Ahnung sie gestreift hatte, sagte sie: »Nein, das stimmt nicht, du hast Angst und wirst sie verlassen.«
»Du lügst! Wie kannst du so etwas behaupten?«, rief das Mädchen empört.
Zum Glück griff Tante Dominga ein, ehe sie es noch schlimmer machen konnte. Sie dankte für die Ehre, empfangen worden zu sein, verneigte sich noch einmal vor der Königinwitwe und verließ dann den Saal, die beiden Kinder fest an der Hand.
Sie schwieg, bis sie die Kammer erreichten, die man ihnen zugewiesen hatte, und die Tür hinter ihnen geschlossen war.
»Du musst vorsichtiger mit deiner Zunge sein«, sagte sie ruhig, doch Jimena zitterte vor unterdrücktem Schluchzen.
»Es ist aber wahr!«, stieß sie leidenschaftlich aus. »Ich konnte es plötzlich sehen, richtig deutlich sehen!«
Dominga seufzte, kniete sich auf den Boden und zog das Kind in ihre Arme.
»Ich weiß, mein Liebes, ich weiß. Die Gabe entwickelte sich auch bei dir, und deshalb musst du lernen, deine Zunge zu hüten, und dir stets ganz genau überlegen, was du sagst und was du lieber für dich behältst, denn sonst könnte das sehr schlecht für dich enden!«
Jimena wollte widersprechen, doch ein kläglicher Zug schlich sich in ihre Miene.
»Ich weiß es nicht«, sagte sie ein wenig weinerlich. »Das kann ich nicht sehen.«
»Deine eigene Zukunft?«, fragte Dominga, obgleich sie genau wusste, was das Kind ängstigte. »Ja, das ist so. Auch ich kann nicht in mein eigenes Schicksal blicken, und ich sage dir, es ist auch nicht immer angenehm zu spüren, was anderen Menschen widerfährt. Gerade wenn sie einem lieb und teuer sind und man gern alles tun würde, um ein böses Schicksal abzuwenden.«
Jimena riss die Augen auf. »Kann man das denn?«
Nun war Schmerz in Domingas Augen zu lesen. »Ich weiß es nicht, mein Kind, ich weiß es nicht. Auch ich bin nicht allwissend und kann manches Mal nur stumm zusehen, wie das Rad des Schicksals sich weiterdreht, wie es die Menschen mit sich reißt, sie emporhebt oder hinabschleudert und manche gar zermalmt.«
Darüber musste Jimena erst einmal nachdenken. Sie ließ sich von ihrer Tante auskleiden und schlüpfte in ihrem langen Nachthemd zu Teresa in das breite, bequeme Bett, in dem noch genug Platz für Dominga blieb.
»Ich darf also gar nichts sagen? Auch nicht zu Isabel? Nur ein ganz kleiner Hinweis, dass sie sich keine Sorgen machen braucht, weil sie nachher Königin sein wird?«
»Nein! Auf gar keinen Fall! Sie wird es beizeiten erfahren. Alles wird sich fügen, und sie wird eine große Königin sein!«
Jimenas Blick schien sich nach innen zu richten, dann nickte sie. »Ja, das wird sie, doch ich spüre viel Leid, wenn ich an sie denke.«
»Du scheinst verwundert. Warum? Denkst du, das Leben der Könige ist immer nur Freude? Nein, mein Kind. Sie leiden ebenso, wenn auch an anderen Dingen. Sie müssen keinen Hunger erdulden und sich nicht fragen, wo sie am Abend ihr müdes Haupt hinbetten, noch, wie sie ihre Kinder satt bekommen, doch leiden müssen auch sie. Das hat Gott der Herr in dieser Welt wohl so eingerichtet.«
»Warum?«, verlangte Jimena zu wissen.
Dominga überlegte. »Vielleicht, um den Menschen vor zu viel Hochmut zu bewahren? Doch nun schlaf. Es war ein langer Tag.« Sie küsste ihre Nichte auf die Stirn und zog ihr die warme, weiche Decke bis ans Kinn, um die Zugluft abzuhalten, die durch das alte Gemäuer strich.
Jimena schloss die Augen und begann ruhig zu atmen. Dominga wollte sich gerade abwenden, da erhob das Kind noch einmal seine Stimme.
»Wirst du es der Stiefmutter des Königs sagen?«
»Was, mein Kind?«
»Dass ihr Geist sich verwirrt.«
Dominga seufzte tief. »Also hast du auch das bemerkt.« Sie schüttelte den Kopf, als drücke tiefe Sorge sie nieder. »Doch um deine Frage zu beantworten: nein! Natürlich nicht. Was glaubst du wohl, was passieren würde, wenn ich dem Hof verkünde, Isabel von Portugal sei dabei, den Verstand zu verlieren und in geistige Umnachtung zu versinken?«
Jimena setzte sich
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