Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Ärzte wird dann Ihre Fragen beantworten.«
Isaura ging ruhelos auf dem Gang auf und ab, bis die Ärzte mit den Schwestern im Schlepptau das Krankenzimmer wieder verließen. Sie nickten ihr kurz zu und gingen weiter zum nächsten Patienten, nur einer blieb zurück, kam auf sie zu und streckte ihr die Hand entgegen.
»Señora Thalheim? Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Jiménez Díaz, Marco Jiménez Díaz. Ich bin hier der verantwortliche Stationsarzt, und ich versichere Ihnen, Ihr Mann ist bei uns in guten Händen«, sagte er in klarem Deutsch. Sein Händedruck war fest und ließ auf Tatendrang und Selbstbewusstsein schließen, wie es für solch einen Job wohl auch unabdingbar war. Isaura betrachtete den Arzt. Er war vielleicht eins achtzig groß mit einer sportlichen Figur. Seine Züge waren offen, sein dunkles Haar trug er sehr kurz, das Gesicht glatt rasiert. Der Blick aus seinen braunen Augen war offen und flößte Vertrauen ein. So musste ein Arzt sein, dem man das Leben seiner Angehörigen anvertraute.
»Gehen wir ein Stück?«
Isaura nickte und passte sich seinem Schritt an. Er führte sie die Treppe hinunter in den Garten, wo sich einige Patienten im Schatten der Bäume auf Bänken niedergelassen hatten.
»Wie schlimm ist es, Dr. Jiménez? Sagen Sie mir die Wahrheit. Es ist nicht sinnvoll, die Sache zu beschönigen. Ich muss wissen, woran ich bin.«
Er sah sie von der Seite an. »Ja, das glaube ich auch. Ich sehe, Sie sind eine starke Frau, der man nicht mit Halbwahrheiten kommen sollte. Also, es war ein schwerer Unfall, das wissen Sie, und Ihr Mann hat einiges abbekommen: Quetschungen, Knochenbrüche, Schnittwunden. Vor allem seine Beine haben einiges abbekommen und sind an mehreren Stel len gebrochen. Nicht schön, aber alles zu heilen. Was uns noch Sorgen bereitet, ist seine Kopfverletzung. Auch seine Schädeldecke hat Frakturen davongetragen, wobei es zu starken Blutungen kam, die – vereinfacht ausgedrückt – sein Gehirn zusammenpressten. Wir mussten das Blut ausleiten, um den Druck zu senken.«
»Kann er wieder ganz gesund werden?«
Der Arzt ließ sich mit seiner Antwort Zeit. »Wir können zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen, ob er bleibende Schäden davontragen wird. Wir haben ihn wegen der zahlreichen schweren Verletzungen vorerst sediert.«
»Sie meinen in ein künstliches Koma versetzt?«
»So sagt man gewöhnlich, auch wenn das medizinisch nicht ganz korrekt ist. Wir haben bereits die ersten CT -Untersuchungen durchgeführt. Ganz sicher, ob alle Bereiche seines Gehirns noch richtig funktionieren, können wir aber erst sein, wenn er wieder wach ist. Ich denke, in ein paar Tagen wird es so weit sein. So lange müssen wir abwarten, so schwer es auch fällt.«
Isaura nickte. »Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit. Kann ich dann wieder zu ihm?«
»Jederzeit, doch ich bitte Sie, bleiben Sie nicht Tag und Nacht an seinem Bett, solange Sie ihm noch keine Hilfe sein können. Sonst verzehren Sie sich bereits, ehe Sie Ihre Kräfte brauchen. Und das werden Sie! Das muss ich Ihnen sagen. Selbst wenn alles gut läuft, ist es ein langer Weg, bis er wieder vollständig gesund ist.«
»Danke, ich werde an Ihre Worte denken.«
Sie machten sich schweigend auf den Rückweg, doch Isaura spürte, dass das nicht alles gewesen war. Etwas verschwieg er ihr. Etwas, das ihm Kopfzerbrechen bereitete.
Isaura blieb stehen und sah ihn an. »Da ist noch etwas, nicht wahr? Sagen Sie es mir!«
Der Arzt zögerte. »Es ist nichts Medizinisches«, sagte er. Überrascht zog Isaura die Brauen hoch.
»Eine der Schwestern hat vorhin ein Telefonat entgegengenommen. Das Mobiltelefon Ihres Mannes klingelte, und sie nahm ab. Da sie kein Deutsch spricht, gab sie mir das Gespräch.«
Isaura begann zu ahnen, mit wem er gesprochen hatte. »Sandy?«
Dr. Jiménez nickte. »Ja, unter diesem Namen war die Nummer eingespeichert. Sie sagte, sie habe sich Sorgen gemacht, weil er nicht mit dem Flug, den er gebucht hatte, zurückkam. Und sie sagte, sie habe ein Anrecht darauf, alles zu erfahren, denn er sei der Vater ihres ungeborenen Kindes.«
Der Arzt hielt die Luft an und sah Isaura fest in die Augen. Es gelang ihr, bei seinen Worten nicht zusammenzuzucken und eine neutrale Miene zu bewahren.
»Ja, das ist wohl so. Mein Mann kam nach Spanien, um mir das mitzuteilen und mir zu sagen, dass er sich von mir trennen will.«
Sie wappnete sich gegen einen mitleidigen Blick und tröstende Worte, doch der Arzt nickte nur,
Weitere Kostenlose Bücher