Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
anzuvertrauen. Denn dass es um etwas sehr Wichtiges gehen musste, war Jimena klar. Warum sonst würde sich Dominga für ein intimes Gespräch mit Isabel hierherbemühen?
»Habt Ihr etwas verloren, Doña Jimena?«
Die Stimme des Kardinals ließ sie hochschrecken. Er sprach sie zwar mit seiner warmen, freundlichen Stimme an, doch seine Augenbrauen zogen sich zusammen.
»Äh, nein, Eminenz, ich warte nur auf Ihre Hoheit.«
»Ist sie hier drin?«, erkundigte sich Kardinal Mendoza und deutete auf die verschlossene Tür.
»Ja«, rief Jimena und rückte unwillkürlich näher, als wolle sie sein unberechtigtes Eindringen verhindern. »Ihr könnt im Augenblick nicht zu ihr. Sie ist nicht allein.«
Die Augenbrauen des Kardinals rückten noch ein Stück höher. »So? Und Ihr habt nun sozusagen als Wächter ihrer Intimität auf dem Gang Posten bezogen?«
Etwas am Klang seiner Stimme irritierte Jimena. »Nein«, widersprach sie etwas unsicher und wurde dann rot, als sie verstand, worauf der Kardinal anspielte.
»Nein!«, wiederholte sie in scharfem Ton. »Ihr liegt falsch, wenn Ihr denkt, Prinzessin Isabel würde gegen ein Gebot Gottes verstoßen! Das würde sie niemals tun. Wisst Ihr nicht, dass sie stets zwei ihrer Damen in ihrem Gemach schlafen lässt, wenn ihr Gatte nicht bei ihr im Palast weilt?«
Kardinal Mendozas Miene entspannte sich. »Ja, das ist sehr lobenswert«, sagte er mit einem, wie Jimena fand, verlegenen Räuspern. »Die Macht der Verlockung sollte man niemals unterschätzen. Die Sünde kommt in so manchem Gewand daher, und ehe man sich’s versieht, ist man ihr verfallen.«
Jimena überlegte, ob er jetzt von Isabel sprach oder von sich selbst, als sich die Tür öffnete und Isabel erschien. Hinter ihr konnte sie Dominga sehen, die beim Anblick des Kardinals das Gesicht verzog. Mochte sie ihn nicht? Er war doch nicht wie Carrillo, der noch immer schmollte, seit Isabel Kontakt mit den Mendozas pflegte und er einsehen musste, dass sie nicht die leicht zu lenkende Marionette war, die er sich wünschte.
Auch die Miene des Kardinals verhärtete sich. »So, Ihr seid also der wichtige Besuch unserer jungen Hoheit«, sagte er schneidend. »Und? Werdet Ihr länger in Segovia bleiben?«
Dass das keine Einladung war, konnte Jimena an seinem Ton hören.
»Nein, Ihr könnt Euch entspannen, Eminenz«, gab Dominga ebenso kalt zurück. »Ich kehre noch heute nach Arévalo zurück.«
»Ihr werdet nicht nach Madrid reisen?«, fragte Isabel.
Dominga fuhr herum und starrte sie an. »Nein, das werde ich nicht tun!«
Jimena sah das aufflammende Interesse in der Miene des Kardinals.
Isabel wirkte plötzlich verunsichert. »Oh ja, natürlich nicht.« Sie schien sich für ihre anscheinend dumme Bemerkung zu schämen. Dann straffte sie sich und nahm wieder diese hoheitliche Haltung an, die Jimena stets an ihr bewunderte. Es war klar, dass Isabel wieder etwas gelernt hatte und in Zukunft noch vorsichtiger sein würde, ehe sie etwas sagte. Sie verabschiedete sich von Kardinal Mendoza und Dominga und wandte sich dann an Jimena.
»Gehen wir? Wir wollten doch ausreiten. Die Pferde sind bestimmt schon gesattelt, und Ramón wird draußen stehen und auf uns warten.«
Sie trug, wie auch Jimena, bereits ihr Jagdgewand und schritt nun auf die Treppe zu. Jimena folgte ihr, ohne sie aus den Augen zu lassen.
Isabel wirkte verändert. Etwas Wichtiges musste geschehen sein – oder würde es erst geschehen? Jimena grübelte darüber, als sie den Hof durchschritten, das Tor passierten und die Zugbrücke hinter sich ließen. Ramón stand mit Gutierre de Cárdenas bei den Pferden. Offensichtlich hatte der Don, der erst kürzlich geheiratet hatte, beschlossen, sich ihnen heute anzuschließen. Seine Braut war Teresa Enriquez, eine nicht eheliche Enkeltochter des Admirals, die nun ebenfalls zu Isabels Damen gehörte. Doch keine von denen liebte schnelle Ausritte oder hätte sich überhaupt auf solch ein wildes Jagdpferd gesetzt, wie Isabel es leidenschaftlich gern tat. Jimena war ihre einzige Dame, auf die sie bei solchen Unternehmungen setzen konnte.
Don Gutierre hob die Prinzessin in den Sattel, während Jimena sich von Ramón helfen ließ.
»Was ist?«, fragte er leise.
»Was sollte denn sein?«, gab sie leichthin zurück, doch so einfach ließ sich Ramón nicht abspeisen.
»Du hast wieder diese grüblerischen Linien auf der Stirn. Also sag es mir, denn ich werde nicht lockerlassen. Und glaube ja nicht, du hättest mit deinem Ross
Weitere Kostenlose Bücher