Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Damen, die Männer des verstorbenen Königs, die den Alcázar und den Staatsschatz beschützten, der hier aufbewahrt wurde, Stadträte und einfache Bürger, Juden und arme Handwerker, Mägde und Knechte, aber keine Granden, keine Vertreter des hohen Adels oder der Kirche. Doch das schien Isabel nicht zu stören; zumindest ignorierte sie es und sprach, als würden all die Mächtigen des Landes vor ihr stehen.
Don Andrés trat vor und setzte die Krone Kastiliens, die er aus dem Staatsschatz geholt hatte, auf ihre blonden Locken. Dann ließ er sich auf die Knie sinken und küsste ihre Hand. Wieder erhob Isabel ihre klare Stimme.
»Ich schwöre, die Gebote der Kirche zu achten und die Freiheiten des Adels und der Städte. Ich schwöre, über das Gemeinwohl des Königreichs zu wachen und allen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.« So fuhr sie fort, doch am wichtigsten war das Ende ihrer Rede: »Das schwöre ich. Ich, Isabel, Königin von Kastilien und Besitzerin des Königreichs, und Fernando, ihr rechtmäßiger Gemahl.«
Trompetenstöße bekräftigten ihre Worte, dann wiederholten Herolde ihre Rede in der Stadt, wobei Jimena bezweifelte, dass es auch nur einen Bewohner gab, der nicht ohnehin atemlos ihren Worten gelauscht hatte.
Am Nachmittag berief Isabel einige Sekretäre, die in Windeseile Rundschreiben anfertigten, die Herolde in den nächsten Tagen im ganzen Land verbreiten sollten. Sie mussten sie den Städten überbringen. Die Schreiben enthielten eine Aufforderung, die Cortes, die Ständeversammlung, einzuberufen und die Proklamation der Krönung zu verlesen. Natürlich war damit auch der Befehl verbunden, Delegierte nach Segovia zu entsenden, wo sie ihrer Königin ihren Gefolgseid leisten sollten. Ganz im Gegensatz zu den Schreiben König Enriques zu seiner Zeit wurden die Adelsmänner und die Cortes nicht höflich gebeten. Isabel bediente sich einer deutlichen Sprache. Sie befahl, in Segovia zu erscheinen!
»Ist das nicht ein wenig hart formuliert?«, wagte dann auch Don Andrés anzumerken, ehe die ersten Boten auf die Reise geschickt wurden.
Isabel sah ihn geradewegs mit einem Blick an, über dessen Härte selbst Jimena staunte.
»Das Land muss wissen, dass die Zeit Enriques vorbei ist, und damit auch die Zeit, in der jeder Adelsmann nur ein wenig um den König herumschleichen musste und schon mit einer dicken Rente nach Hause reiten konnte. Der Adel lebt in Saus und Braus auf dem gebeugten Rücken des Volkes, der jederzeit zu brechen droht. Und der König? War eine Marionette mit einer Krone auf dem Kopf ohne jede Macht! Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich ein gefährliches Spiel spiele, doch wenn ich es jetzt nicht schaffe, dann werde ich nur zu einem weiteren Spielball, bis es meinen Gegnern gelingt, mich zu beseitigen und Juana oder jemand anders, der ihnen genehm ist, auf den Thron zu setzen. Nein, es wird ein anderer Wind durch Kastilien wehen, und entweder wird er mich emportragen oder ich werde mit ihm untergehen!«
Jimena musste ihr im Stillen recht geben. Enrique hätte an ihrer Stelle die Granden und die Cortes her gebeten . Sie hätten lange diskutiert, ob sie nun Isabel oder Juana die Krone aufs Haupt setzen wollten, und vermutlich hätten sie sich für Juana entschieden. Sie war jünger und ganz sicher leichter zu formen. Dieses Risiko war Isabel nicht eingegangen. Sie hatte alle überrascht und vor vollendete Tatsachen gestellt.
»Die Krone ist nichts, worüber der Adel meines Landes diskutieren und bestimmen kann«, sagte sie, als sei sie Jimenas Gedanken gefolgt. »Die Krone steht mir zu! Das ist eine unumstößliche Tatsache, die das Land zur Kenntnis zu nehmen hat. Über einzelne Aufgaben und Rechte kann man reden.«
Die Herolde gingen auf die Reise, und den Getreuen in Segovia blieb nichts anderes übrig, als zu warten, welche Reaktion der Aufruf bringen würde. Wie viele würden kommen, um Isabel den Schwur zu leisten, und wer würde es wagen, sich gegen sie zu stellen?
Eines jedenfalls war bald klar: Das einfache Volk stand auf ihrer Seite und jubelte ihr zu. Kaufleute, Handwerker und Bauern setzten ihre Hoffnung auf die junge Königin. Was hatten sie noch zu verlieren? Jahre voll Gezänk und Bürgerkrieg hatten sie arm und mürbe gemacht. Nein, schlimmer konnte es nicht werden. So griffen sie nach Isabel als ihrem Hoffnungsschimmer.
Doch das war nicht genug. Sie brauchte zumindest einen Teil des Adels und der Kirche hinter sich.
Natürlich kam Kardinal Mendoza, nachdem er
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