Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Er wird sich auf die Reise machen, sobald die Beerdigungsfeierlichkeiten es ihm gestatten.«
Isabels Miene verhärtete sich. »Darauf kann ich nicht warten. Es ist leider nicht die Zeit, sich Gefühlen hinzugeben und Rücksicht zu üben. Rufe mir Don Andrés. Er ist der richtige Mann, sich um alles zu kümmern.«
Und so saßen Andrés de Cabreras, seine Frau Beatriz und Jimena bereits eine Stunde später mit Isabel im kleinen Thronsaal und besprachen jedes Detail der nächsten Stunden. Isabel bestand darauf, die Zeremonie bereits am nächsten Tag zu begehen.
»Noch vor der Beerdigung des Königs?«, rief Beatriz entsetzt, verstummte aber bei dem Blick, den ihr Isabel zuwarf. Rasch senkte sie die Lider.
»Ich schweige ja schon, Majestät«, murmelte sie. »Doch was ist mit Eurem Gatten? Sollte er an diesem Tag nicht an Eurer Seite sein?«
Isabels Miene wurde ein wenig weicher. »Du brauchst mich jetzt nicht so anzureden. Und – außergewöhnliche Ereignisse erfordern eben manches Mal außergewöhnliche Reaktionen. Ich habe auch keine Zeit, auf den Kardinal oder auf die Rückkehr Fernandos zu warten, und – unter uns gesagt – ist das vielleicht auch besser so. Es macht alles nur komplizierter, wenn er mir wieder Vorhaltungen macht und meine Entscheidungen kritisiert.«
»Ja, aber er ist doch dein Gatte«, wagte Beatriz einzuwerfen. »Er hat das Recht dazu.«
Isabel setzte wieder diese verschlossene Miene auf und warf den Kopf zurück. »Das mag vielleicht für gewöhnliche Ehepaare gelten, ich aber werde die Königin von Kastilien sein, und ich allein bestimme, was in diesem Land geschieht. Er ist mein Gemahl, ja, und vielleicht muss ich mich nach seiner Meinung richten, wenn es um ihn und mich und unsere Kinder geht, aber nicht, wenn es das Geschick Kastiliens betrifft.«
Beatriz war schockiert. Hatte sie gedacht, Isabel würde die Macht an Fernando abtreten, damit er einst Kastilien und Aragón zusammen regieren konnte? So naiv war Jimena jedenfalls nicht. Und sie hoffte, dass auch Fernando diesen Punkt klar sah; sonst bestand durchaus die Gefahr, dass es zu einem ernsthaften Zerwürfnis zwischen den Eheleuten kommen würde. Er hatte Isabel inzwischen kennengelernt und genug Zeit mit ihr verbracht, um das zu wissen; dennoch ahnte Jimena, dass ihn dieser Akt zumindest in seiner Ehre als ihr Gemahl kränken würde. Welcher Mann konnte es hinnehmen, von einer Frau derart übergangen zu werden? Jimena spürte einen Kloß im Hals.
Nun gut, an der Tatsache war nichts mehr zu ändern. So würden sie die schwierige Situation, die sich nun ergab, eben im Nachhinein bereinigen müssen.
Noch am Abend ließ Isabel für den verstorbenen König eine Messe lesen, an der sie in einem einfachen, schmucklosen Trauergewand teilnahm, Haar und Gesicht unter einer schwarzen Mantilla verborgen. Gemeinsam mit den Bewohnern der Stadt begab sie sich zu Fuß in die Kirche, während Cabreras draußen auf dem großen Platz vor der Kathedrale bereits ein Podium errichten ließ. Dorthin geleitete sie der Statthalter und königliche Schatzmeister am nächsten Tag. Ihre Trauer hatte sie abgelegt. Stattdessen war Isabel prächtig gekleidet. Ihr golddurchwirktes Kleid schimmerte im Licht der Wintersonne. Ihre Wangen waren entweder vor Anspannung oder vermutlich nur des kalten Winterwindes wegen gerötet – sie sah wunderbar aus. Ihre Damen hatten ganze Arbeit geleistet, und ihre Haltung tat das Ihre: Eine wahre Königin bestieg ihren ebenfalls prächtig herausgeputzten Schimmel. Ja, sie schien geradezu von innen heraus zu leuchten, als habe Gott seine Engel gesandt, um sein Wohlwollen kundzutun.
Don Andrés griff nach den Zügeln und führte das Pferd, während andere Adelsmänner den Thronhimmel und Isabels Schleppe trugen. Ihnen voran schritt Gutierre de Cárdenas, einen unverhüllten Degen in der Rechten, als Symbol der königlichen Macht. Der ganze Hofstaat reihte sich hinter Isabel ein und zog mit ihr durch die Stadt, wo das Volk sie jubelnd empfing. Die Menschen aus dem Palast und die Bürger folgten dem Zug, bis sich alle vor der Kathedrale versammelten, deren Glockengeläut überall in Segovia zu vernehmen war. Isabel ließ sich vom Pferd helfen und stieg die Stufen zum Podium hinauf. Die Glocken schwiegen, und auch die Menschen wurden ganz still, als sie ihre Stimme erhob. Sie klang kräftig und entschlossen, und es gab keinen in Segovia, der ihre Worte nicht vernahm: Isabels kleiner Hofstaat, voran ihr Statthalter und ihre
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