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Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)

Titel: Das kastilische Erbe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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antraf.
    »Du hast ja recht. Ich werde mit dem alten beleidigten Mann reden, wenn er sich einsichtig zeigt, doch ich werde keiner seiner unverschämten Forderungen nachgeben.«
    Jimena nickte. Sie wusste, dass Isabel richtig handelte. Wenn sie jetzt nachgab, dann würde sie bald zu einer Ma rionette ohne die Macht zu eigenen Entscheidungen wer den. Nein, man durfte weder einem Erzbischof Carrillo noch einem Kardinal Mendoza die Regierung des Landes überlassen. Es würde ein schwieriger Kampf werden, und die Bedrohung rückte von allen Seiten immer näher. Vorbei war das leichte Gefühl von Glück, vorbei die bunten Tage im Trubel des Turniers. Düstere Wolken stiegen am Horizont auf und verdeckten die wärmende Sonne.

Kapitel 34
    Valladolid, März 2012
    »Buenos días, Señora Isaura«, begrüßte sie eine Stimme, als sie am Morgen die Haustür öffnete und in den Hof trat. Zum Glück war es nicht der Comisario. Nein, es war eine weibliche Stimme, die sie schon einmal gehört hatte. Isaura beschirmte die Augen mit ihrer Hand und sah eine schlanke Gestalt in einem schlichten Leinenkleid auf sich zukommen. Sie streckte Isaura die Hand entgegen.
    »Erinnern Sie sich an mich?«
    Isaura nickte. »Ja, Mercedes, nicht wahr? Du wohnst mit deiner Großmutter in der Nachbarschaft, und ihr habt meinen Hühnern und den Hasen Asyl gegeben. Ich hoffe, sie sind wohlauf? Wenn du mir sagst, wo ich das richtige Futter bekomme, dann besorge ich gern eine Ladung.«
    Das Mädchen lächelte. »Danke, doch das ist nicht nötig. Wir verbrauchen ja auch Ihre Eier.«
    »Was kann ich sonst für dich tun?«, erkundigte sich Isaura. »Möchtest du einen Tee mit mir trinken? Eine Kaffeemaschine habe ich leider noch immer nicht.«
    Mercedes wehrte ab. »Nein, danke. Meine Großmutter schickt mich und bittet Sie, zu ihr zu kommen.«
    Isaura hörte an ihrem Tonfall, dass etwas nicht in Ordnung war. »Ihr geht es nicht gut, nicht wahr?«
    Traurig schüttelte Mercedes den Kopf. »Nein. Der Arzt war da und hat ihr geraten, sich von ihrer Familie zu verabschieden. Er gibt ihr nur noch ein paar Tage, doch meine Großmutter ist eine starke Frau.« Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. »Der Arzt nennt es starrsinnig. Jedenfalls hat sie mich zu Ihnen geschickt und bittet Sie, zu ihr zu kommen.«
    »Ja … äh … natürlich, ich komme gern«, sagte Isaura etwas zögerlich und einigermaßen verwundert über diese überraschende Bitte. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Wie die beiden Frauen sie begrüßt und von Carmens Vermächtnis geredet hatten. Dann die Kräuter und Tinkturen im Haus. Jetzt fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Ihre alte Nachbarin wollte nicht nur einen Besuch, sie erwartete von ihr – nachdem die Ärzte sie aufgegeben hatten – Heilung oder zumindest Linderung ihrer Leiden.
    Jetzt wich Isaura ein Stück zurück und machte eine abwehrende Handbewegung. »Ich fürchte, da liegt ein Missverständnis vor. Ich weiß nicht genau, wie es um die Heilkünste oder die Gaben meiner Großtante Carmen bestellt war, aber ich bin ganz sicher keine Heilkundige und kenne mich mit ihren Kräutern und ihrer Medizin nicht aus.«
    Ein rätselhaftes Lächeln glitt über das Gesicht des Mädchens. »Ich glaube nicht, dass es Großmutter um einen Kräutertrank geht. Sie will einfach nur wissen, ob der Arzt recht hat.«
    »Was?«
    »Ob sie dieses Mal sterben wird.«
    »Und das soll ich ihr sagen können?«, rief Isaura entsetzt.
    »Ja«, sagte das Mädchen schlicht und sah sie mit ernster Miene an. Sie schien tatsächlich daran zu glauben.
    »Wie kommst du auf solch einen Einfall?«, fragte Isaura fassungslos.
    »Sie wurden nicht umsonst gewählt, ihr Vermächtnis zu übernehmen. Bitte, kommen Sie mit. Versuchen Sie es wenigstens, und enttäuschen Sie meine Großmutter nicht.«
    Isaura konnte sich selbst nicht erklären, warum sie dem Flehen des Mädchens nachgab. Wozu sollte das führen? Sollte sie einer alten Frau, die im Sterben lag, etwas vorlügen? Doch vielleicht ging es hier wirklich nur darum, dass sich jemand um sie kümmerte und ihr Trost spendete.
    Isaura zog sich ihre derben Wanderschuhe an und schlüpfte in eine Windjacke, ehe sie Mercedes folgte. Sie mussten eine recht weite Strecke über einen unebenen Feldweg zurücklegen, ehe sie das Nachbarhaus erreichten. Das Gehöft war ähnlich dem ihren angelegt und genauso alt und ärmlich. Dafür herrschte hier mehr Leben. Ein struppiger Mischlingshund begrüßte sie kläffend. Hühner stoben

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