Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Sie versprachen, vieles zu ändern und gegen die Missstände anzugehen, und die Menschen glaubten ihrer Königin. Jimena spürte, wie Isabel die Herzen eroberte, vor allem die der einfachen Leute und der Bürger der Städte. Auch der Landadel, der sich von den Granden unterdrückt fühlte, setzte Hoffnungen in die junge Monarchin.
Schwerer dagegen waren die Granden zu überzeugen, die nicht viel von Worten und stolzen Reden hielten. Sie hätten sich gern mit klingender Münze und neuen Privilegien bestechen lassen, doch Isabel war nicht bereit, so leichtfertig wie ihr Bruder die Hand zu öffnen.
So vergingen die Wochen. Sie reisten von einem Ort zum anderen, blieben nur kurz, und schon nach wenigen Tagen ging es weiter. Altkastilien schien mehrheitlich auf Isabels Seite zu stehen, die Grenzgebiete zu Portugal dagegen hielten zu Juana, und – wie man hörte – war man auch im Süden nicht bereit, sich auf die junge Königin einzuschwören. Der ganze Nordwesten bis hinauf nach Galicien zeigte sich ebenfalls störrisch. Dagegen stellte sich das Baskenland hinter Isabel, und Carrillo hatte das Land um Toledo fest im Griff.
Erschöpft und ausgelaugt machte sich die Reisegesellschaft nach Valladolid auf, um sich – wie Beatriz hoffte – im dortigen Palast lange zu erholen. Auch Isabel, die seit ein paar Wochen unter den üblichen Symptomen der frühen Schwangerschaft litt, wirkte müde und stimmte einer Pause zu. Man richtete sich im Palast König Enriques ein, der schon nach wenigen Tagen zu einem Domizil Isabels und Fernandos wurde. Und obgleich die Lage im Reich noch immer ernst war, herrschte eine heitere Stimmung bei Hof.
Im April zog der Herzog von Alba mit großem Gefolge in Valladolid ein. Er war neben den Mendozas eine der stärksten Stützen der jungen Königin, und so scheute sie sich nicht, trotz der angespannten Finanzen ein prächtiges Turnier ausrichten zu lassen, an dem der Herzog und auch König Fern ando persönlich teilnahmen. Zu ihrer großen Freude ga ben sich auch der Graf von Haro und, was noch wichtiger war, der Marquis de Santillana die Ehre, Kardinal Mendozas älterer Bruder, der nach dem Tod des Vaters den Titel und die Ländereien geerbt hatte. Isabel wusste, wie wichtig es war, ein glanzvolles Bild abzugeben und die Granden zu beeindrucken, daher überließ sie bei den Vorbereitungen für das Turnier nichts dem Zufall.
»Du siehst traumhaft aus«, hauchte Beatriz, als es an ihrer Aufmachung einfach nichts mehr zu verbessern gab. Isabel strahlte. Sie saß in ihrer Brokatrobe auf ihrem Schimmel, den eine mit Goldblumen bestickte Decke und ein silberner Kopfputz zierten. Die Edelsteine ihrer Krone blitzten im Sonnenlicht, als sie, von vierzehn Hofdamen begleitet, langsam auf die Estrade zuritt. Ein Raunen ging durch die Menge, und selbst Fernando rieb sich die Augen. Ja, diesen Anblick würde so schnell keiner vergessen.
Es war ein Fest ungetrübter Freude, zumindest bis zu der Stunde, als Erzbischof Carrillo mit seinem Gefolge dort eintraf.
Zuerst war Jimena nur glücklich, kam doch auch Ramón mit nach Valladolid. Sie flog ihm in die Arme, ohne auf das Getuschel zu achten, das sich erhob. Dann, später, als er seinen Dienst für den Erzbischof beendet hatte, schlichen sie sich unbemerkt davon. Der Palast summte noch wie ein Bienenstock, und so achtete unter den vielen Menschen keiner auf den anderen – hoffte zumindest Jimena, die ihr Gesicht hinter einem dichten Schleier vor den Blicken der Bürger verbarg. Sie spazierten durch die Stadt und sprachen von den aufregenden Wochen, die hinter ihnen lagen. Dann schwiegen sie einfach und gaben sich ihrer Sehnsucht nach dem anderen hin, die so mächtig war, dass sie trotz des kühlen Frühlingsabends zu verbrennen schienen.
Ihre Schritte beschleunigten sich, als sie sich auf den Rückweg zum Palast machten, und als sie durch das Tor geschlüpft waren, mieden sie den Saal, in dem sich die anderen versammelt hatten, um den Neuigkeiten zu lauschen, die Carrillos Begleiter mitgebracht hatten.
Jimena und Ramón sahen einander an.
»Ich habe mich so nach dir gesehnt«, wisperte Jimena und drückte seine Hände.
Ramón sah ihr tief in die Augen. »Ach meine Liebste, warum nur ist uns so wenig Zeit gegönnt. Ich habe jede Stunde an dich gedacht!«
Jimena lächelte. »Das glaube ich nicht. Dafür hast du doch gar keine Zeit. Du hast doch sicher viele Aufgaben für Carrillo zu erledigen.«
»Nicht so viele, als dass ich nicht an dich denken
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