Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
Nicht einmal du weißt es?«
Jimena schüttelte den Kopf. Ihre Miene war ernst. »Nein, es ist alles verschwommen. Ihre Zukunft steht auf Messers Schneide.«
»Und die unsere damit auch«, sagte Beatriz leise.
Jimena nickte. »Es kommen harte Zeiten auf uns zu, die unsere ganze Kraft fordern werden. Wenn du also Ruhe brauchst, dann kehre zu deinem Gatten nach Segovia zurück. Isabel würde es verstehen.«
Ein energischer Zug trat in Beatriz’ Gesicht. »Nein, ich habe sie einmal verlassen, ich werde es nicht noch einmal tun. Ja, ich liebe Andrés, und ich sehne mich nach ihm, und vielleicht wäre es an der Zeit, ihm Kinder zu schenken. Ich weiß es nicht. Anderseits, wenn du recht behältst – was du leider so gut wie immer tust – und die Zeiten so schwer werden, dann ist es vielleicht besser, jetzt noch nicht schwanger zu werden. Ich könnte das nicht, so wie Isabel, die einfach die Zähne zusammenbeißt und sich in den Sattel setzt. Spürt sie die Beschwerden ihrer Schwangerschaft denn nicht?«
»Doch, das tut sie, aber ihr Wille und die Kraft, die sie antreiben, sind stärker.«
Jimena spürte den Anflug eines schlechten Gewissens, als sie an ihre unreinen Tage dachte, die dieses Mal stärker und schmerzhafter ausgefallen waren. Sie wusste, dass die Kräuter, die sie zu sich genommen hatte, das Blut ausgetrieben hatten. Nur das normale monatliche Blut oder vielleicht noch mehr? Sie dachte an Dominga, die ihr im Traum erschienen war und ihr befohlen hatte, den Kräutersud zu kochen. Jimena hatte es vermieden, über den Grund und über die Folgen nachzudenken, doch nun schoss ihr der Gedanke unvermittelt durch den Kopf und schmerzte sie. Hatte sie Ramóns Kind getötet, ehe es eine Chance gehabt hatte, sich zu entwickeln?
Beatriz hatte recht. Dies war nicht die rechte Zeit, Kinder zu gebären – und schon gar nicht ohne Ehemann! Vielleicht später. Irgendwann. Doch eine Stimme, die sie nicht hören wollte, flüsterte ihr zu, dass es kein Später geben würde. Nicht für sie und Ramón. Das Herz wurde ihr schwer, und Jimena war froh, sich auf ihr Pferd und den Ritt konzentrieren zu müssen.
Sie verließen Guadalajara und ritten auf Alcalá de Henares zu, das kaum einen Tagesritt entfernt im Südwesten lag. Isabel hatte schon vor einigen Tagen den Konnetabel gebeten, sie bei Carrillo anzumelden, doch am Nachmittag stieß er mit seinen beiden Begleitern auf den Zug der Königin. Seine Miene verhieß nichts Gutes.
»Was ist? Habt Ihr ihn etwa verpasst? Ist der Erzbischof bereits abgereist?«
»Nein, noch hält sich Erzbischof Carrillo in Alcalá auf«, sagte er ein wenig verlegen und gab sich dann einen Ruck. »Doch er bleibt uneinsichtig, obgleich ich ihm den Schrecken des drohenden Bürgerkriegs deutlich ausgemalt habe.«
Isabel beugte sich im Sattel nach vorn und fixierte den Konnetabel.
»Was genau hat Carrillo gesagt?«
Der Konnetabel räusperte sich. Jimena trieb ihr Pferd näher heran, um kein Wort zu verpassen.
»Seine Exzellenz der Erzbischof von Toledo sagte: ›Wenn die Königin die Stadt zum einen Tor betritt, werde ich sie durch das andere Tor verlassen.‹«
Das war ein offener Bruch! Jimena spürte, wie ihr Magen sich verkrampfte. Sie hatten den mächtigen Primas verloren. Sie wollte sich die Folgen gar nicht ausmalen. Stattdessen konzentrierte sie sich auf Isabels Miene, die sich verhärtete.
»So ist das also. Gut, wenn er es nicht anders haben will. Wir reiten weiter und schlagen einen Bogen um die Stadt!«
»Was hast du vor?«, fragte Fernando, als sich der Zug wieder in Bewegung setzte und außer ihnen und Jimena keiner mehr das Gespräch mit anhören konnte.
»Wir reiten weiter bis nach Toledo!«, gab Isabel mit dem kriegerischen Glitzern in den Augen zurück, das ihren Mut und den ungebrochenen Tatendrang erkennen ließ. »Ich werde nicht zulassen, dass mir Carrillo diese wichtige Stadt abspenstig macht. Mal sehen, ob wir sie nicht auf uns einschwören können, ehe er überhaupt ahnt, was wir vorhaben.«
Fernando grinste. »Ja, das ist ein guter Einfall«, lobte er und preschte zur Spitze des Zuges vor, um zur Eile zu mahnen.
Es wurde ein harter Ritt. Obwohl es erst Mai war, brannte die Sonne heiß herab und trocknete die Kehlen aus. Nicht nur Beatriz jammerte, auch die anderen Damen klagten, wurden von Isabel jedoch hart zur Ordnung gerufen. Jimena hatte den Eindruck, dass selbst Teresa erschöpft war. Sie starrte nur noch teilnahmslos vor sich hin, und selbst wenn man sie
Weitere Kostenlose Bücher