Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
erwartungsvoll entgegen. Doch statt sich ihr mit gesenktem Blick zu nähern und vor ihrer Majestät niederzuknien, strebte er auf eine der Bänke zu und setzte sich ebenfalls. Seelenruhig betrachtete er seine Königin, in deren Miene wachsendes Erstaunen geschrieben stand. Während sie sich vermutlich überlegte, was das seltsame Verhalten bedeuten und wie sie darauf reagieren sollte, schwieg er und sah sie mit heiterer Miene an, die Hände locker im Schoß gefaltet.
Neugierig musterte Jimena den ungewöhnlichen Mann in seiner weißen Kutte aus grobem Stoff. Darüber trug er einen schwarzen Überwurf mit einer Kapuze. Vielleicht gehörte er zu den Hieronymiten aus Guadalupe oder Yuste? Jimena wusste nur wenig über diesen Orden, außer, dass die Brüder der Augustinerregel folgten und sich dem strengen Bibelstudium widmeten.
Der Mönch war vermutlich noch keine fünfzig Jahre alt und gehörte sicher nicht zu denen, die ihr Leben im Kloster nutzten, um sich vor der Arbeit zu drücken und sich bei reichlich Speise und Trank dem Müßiggang hinzugeben. Selbst die weite Kutte ließ einen asketischen Körper vermuten, und in seinem schmalen Gesicht glaubte Jimena vor allem Disziplin und Strenge gegen sich selbst lesen zu können. Und doch schien er keinesfalls verbittert oder lebensfeindlich zu sein. Der milde Ausdruck, mit dem er Isabel betrachtete, gefiel ihr. Und auch die Königin schien ihm trotz seines schlechten Verhaltens gewogen zu sein und sagte in freundlichem Ton:
»Fray Hernando de Talavera, ich begrüße Euch. Ich nehme an, Ihr verlasst nicht häufig den Schutz der Mauern Eures Klosters, daher möchte ich Euch darauf hinweisen, dass es hier üblich ist, seine Königin angemessen zu begrüßen.« Sie streckte ihm auffordernd die Hand entgegen, doch der Pater blieb ungerührt sitzen.
»Mir ist durchaus bekannt, dass Eure Untertanen vor Euch niederknien, Majestät«, antwortete der Hieronymitenpater. »Doch Ihr begehrt zu beichten, nicht wahr? Daher bleibe ich sitzen, und Ihr kniet nieder, denn Ihr seid hier vor Gottes Gericht, und ich bin Gottes Vertreter.«
Isabel starrte ihn verblüfft an. Jimena hielt die Luft an. Wie würde die Königin auf diese dreiste Rede reagieren? Konnte sie so etwas durchgehen lassen, oder musste sie hart durchgreifen, um ihre bisher noch längst nicht gefestigte Stellung zu stärken?
Doch Isabels Verblüffung löste sich in einem Lächeln auf. Sie erhob sich mit Eleganz von ihrem Platz, raffte ihr langes Gewand ein wenig und schritt dann auf Fray Hernando zu. Kaum einen Schritt vor ihm blieb sie stehen und fixierte ihn aus ihren hellen Augen. Ohne mit der Wimper zu zucken, hielt er ihrem Blick stand.
»Das ist genau der Beichtvater, den ich brauche!«, sagte Isabel und beugte vor dem Pater die Knie.
Lautlos zog Jimena die Tür zu. Sie wollte keinesfalls Isabels Beichte lauschen, doch der ungewöhnliche Pater ging ihr den ganzen Tag nicht aus dem Kopf. Sie sprach Beatriz am Abend auf ihn an, als sie zusammen auf dem Diwan saßen.
»Fray Hernando de Talavera? Ein seltsamer Kauz, nicht wahr? Ich bin ihm heute Morgen begegnet und fühlte mich unter seinem stechenden Blick wie ein kleines Mädchen, das gerade etwas angestellt hat.«
Jimena fand zwar nicht, dass er einen stechenden Blick hatte, doch sie konnte nachempfinden, was Beatriz meinte.
»Weißt du etwas über ihn?«, hakte Jimena nach.
Beatriz runzelte die Stirn. »Ja, ich weiß, dass sich Isabel über ihn erkundigt hat. Sie hat von ihm viel Gutes gehört und wollte mit ihm sprechen. Ich glaube, sie ist auf der Suche nach einem Beichtvater, der nicht ständig durch ganz Kastilien reist – zumindest nicht ohne sie.« Beatriz zog eine Grimasse. »Mal sehen, ob ich das noch alles zusammenbringe. Jedenfalls stammt er aus dem Kloster Prado in der Nähe von Valladolid und hat an der Universität von Salamanca Theologie studiert. Seine Herkunft ist allerdings weniger glänzend, zumindest wenn man ihn als königlichen Beichtvater sieht. Er spricht wohl nicht so gern über seine Eltern, doch so, wie es aussieht, ist er der illegitime Sohn des Grafen von Oropesa, Fernán Alvarez de Toledo, und einer Jüdin, deren Namen sie nicht in Erfahrung bringen konnte. Jedenfalls war es wohl der Graf, der auf eine christliche Erziehung Wert legte und Talavera zum Studium nach Salamanca schickte.«
Jimena nickte.
»Du hast ihn gesehen, nicht wahr? Meinst du, er bleibt hier bei Hof?«, wollte Beatriz wissen.
Jimena überlegte. »Ja, ich
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