Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
denke schon. Er hat einen guten Eindruck auf Isabel gemacht.«
Beatriz wiegte zweifelnd den Kopf. »Ich weiß nicht. Man sagt, er verhalte sich ein wenig seltsam und würde nicht recht an einen Königshof passen.«
Jimena schmunzelte. »Ja, das ist richtig, und ich sage dir, gerade das ist es, was Isabel anzieht. Er ist kein Speichellecker und keiner, der auf Pfründe aus ist. In ihm wird Isabel einen Ratgeber finden, der ihr stets die Wahrheit sagt, und sei sie auch noch so bitter!«
»Nicht jeder traut sich das«, meinte Beatriz.
Jimena nickte. »Ja, da hast du recht. Aber solche Bedenken oder gar Furcht davor, seine Monarchin zu verstimmen, kennt Fray Hernando nicht!«
Jimena behielt recht. Der Pater blieb. Wie nicht anders zu erwarten, machte er sich mit seiner schonungslos offenen Art nicht gerade bei jedem beliebt, doch Isabel bewunderte und respektierte ihn und wusste, was sie an seinen klugen Ratschlägen hatte. Er war nicht nur in Glaubensfragen ein Mann, der wusste, wovon er sprach, und so war er aus ihrem Hofstaat bald nicht mehr wegzudenken. Auch Jimena mochte ihn und hegte Hochachtung vor seinen klugen Einschätzungen der politischen Lage. Nur Beatriz fühlte sich immer ein wenig unwohl in seiner Gegenwart, obwohl er sie kaum beachtete.
Kapitel 36
Segovia, 1475
Der Hof war seit einigen Tagen wieder in Segovia, wo Isabel mit Andrés de Cabreras die Finanzlage des Landes durchsprechen und den Staatsschatz schätzen lassen wollte, der hier verwahrt wurde. Sie wusste, dass sie jetzt viel Geld brauchte, um im Land weiter um Anhänger zu werben, ehe das Reich in Brand geriet und es notwendig werden würde, Truppen aufzustellen, die man ausrüsten, verpflegen und besolden musste.
Der neue Beichtvater, Fray Hernando de Talavera, der Isabel nicht mehr von der Seite wich, entpuppte sich nicht nur als ein strenger Kirchenmann, der bereit war, die Gebote so zu befolgen, wie sie einst gegeben worden waren, und sich keinerlei Freiheiten herausnahm. Wie Isabel erfreut feststellte, war er auch ein kühler Rechner und ein Mann, der sich mit Zahlen und Geld auskannte und genaue Vorstellungen von Steuern und Kosten hatte. Sie sprachen nächtelang über notwendige Reformen und darüber, wie man sie umsetzen konnte. Eigentlich wurden genügend Steuern erhoben, doch nur ein Bruchteil der Beträge kam bei den königlichen Sekretären wirklich an. Das ganze System hatte schon bei denen, die die Steuern einziehen sollten, seine ersten Schwachstellen, und dann gab es noch so viele Stationen, an denen das Geld wie Regenwasser im Boden zu versickern schien.
Außerdem krankte die Wirtschaft, und der Handel lahmte. Die Wege waren zu gefährlich, die Zölle zu hoch.
Fernando begann meist schon bald zu gähnen und zog sich zurück, um sich in sein Gemach oder das einer bevorzugten Dame zu begeben, wo er sich trösten ließ, wenn seine schwangere Gattin es schon vorzog, mit einem Kirchenmann stundenlang über Geld zu sprechen!
Es war Ende Mai, als in kurzem Abstand zwei Boten Segovia erreichten, die die schlimmsten Nachrichten brachten.
Der erste kam aus dem kastilisch-portugiesischen Grenzgebiet am Duero.
»Majestät«, keuchte der junge Mann, der noch ganz außer Atem war. »König Alfonso zieht eine Armee zusammen. Eine mächtige Armee! Es sollen zehntausend Infanteristen und noch weitere fünftausend Bewaffnete sein. Er ist schon bald bereit, nach Norden zu marschieren, um in Kastilien einzufallen!«
Isabel und Fernando hatten gerade die ersten Aufrufe zur Mobilmachung an die ihnen ergebenen Adeligen und die Städte gesandt, als eine zweite Hiobsbotschaft einging. Es war gelungen, einen Spion zu fassen, der mit einer Botschaft Alfonsos an den französischen König unterwegs gewesen war. Nun wussten sie auch, warum Alfonso im Norden angreifen wollte und nicht im Süden der Extremadura, wo doch die Mehrheit des Adels mit ihm sympathisierte.
»Ich habe es schon lange geahnt, dass sich die Franzosen am Baskenland vergreifen wollen«, knurrte Fernando.
Entsetzt starrte Isabel auf die Botschaft. Alfonso bat Ludwig XI . um Unterstützung. Einer gemeinsamen Invasion Portugals und Frankreichs hätte das junge kastilische Königspaar nichts entgegenzusetzen, selbst wenn Fernandos Vater ihnen zur Hilfe eilen sollte – was durchaus fraglich war. Juan II . hatte seine eigenen Regeln, die keiner recht durchschaute.
Der lähmende Schrecken hielt nicht lange an. Isabel schüt telte ihn in einer heftigen Bewegung ab und straffte
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