Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
lange diese Frau zu bleiben gedenkt und wann sie vorhat, die Klinik aufzusuchen. Darf ich Sie dann anrufen und es Ihnen mitteilen?«
Isaura nickte. Es fiel ihr auf, dass er Sandy nur »diese Frau« nannte, was verriet, was er von ihr hielt. Isaura gab ihm ihre Handynummer und stieg in den Wagen.
»Dann auf Wiedersehen«, sagte er förmlich, trat zurück und winkte ihr nach, als sie vom Parkplatz fuhr und in die Hauptstraße einbog.
Als Isaura mit dem Wagen in den Hof fuhr, kam der Kater ihr bereits entgegen und begrüßte sie überschwänglich. Selbst wenn er sich von ihrer Rückkehr in erster Linie etwas zu fressen versprach, rührte sie die Anhänglichkeit des Tieres.
»Ich grüße dich auch, Golondrino. Vielleicht habe ich deinen Namen etwas voreilig gewählt«, gestand sie, ging in die Hocke und kraulte dem Kater den Nacken, was er sich gern gefallen ließ. Maunzend folgte er ihr und ihren Einkaufstüten ins Haus. Zwar verspürte Isaura überhaupt keinen Hunger, doch sie war vernünftig genug, dennoch darauf zu achten, dass sie halbwegs regelmäßig etwas zu sich nahm. In eine Bar oder ein Restaurant zu gehen, dazu hatte sie keine Lust. Nein, es zog sie in die Einsamkeit ihrer kleinen, altmodischen Küche, nur mit dem Kater als Gesellschafter.
Sie richtete sich einen bunten Salatteller mit Schafskäse und Oliven her, schnitt Brot auf und öffnete eine Flasche Wein. Es wurde bereits dunkel, und so zündete sie einige Kerzen an. Obwohl das Gemüse appetitlich frisch aussah, stocherte Isaura lustlos darin herum. Ihr war einfach nicht nach Essen. Stattdessen trank sie ein Glas Wein. Das beruhigte ihre angespannten Nerven.
Am Nachmittag hast du die fettig süßen Churros allerdings geradezu mit Lust heruntergeschlungen!, bemerkte eine innere Stimme fast ein wenig hämisch.
Ob das an der ungesunden Kombination lag oder an der Gesellschaft, darüber dachte sie lieber nicht nach. Anderseits war es besser, den attraktiven Doktor in ihren Gedanken vor sich zu haben, als die tobende Sandy, die auf ihre Rechte, die sie zu haben glaubte, pochte und mit all ihrer Unvernunft darauf bestand, Justus möglichst sofort mit nach München zu nehmen. Eine Trennung von seiner Frau, um deutlich sichtbare Tatsachen zu schaffen, egal zu welchem Preis – so kam es Isaura wenigstens vor. Dass Sandy hinter ihrem Keifen ihre Ängste verbarg, wollte sie nicht recht als Entschuldigung gelten lassen, obgleich ihr klar war, dass die Situation auch für sie nicht leicht sein konnte. Der Erzeuger ihres Kindes im künstlichen Koma und noch keine Entwarnung der Ärzte, dass nicht doch schwere Hirnschäden zurückbleiben würden – wenn er überhaupt überlebte!
Selber schuld! Du hättest dich halt nicht mit einem verheirateten Mann einlassen und dich gleich von ihm schwängern lassen sollen, dachte sie rachsüchtig und schenkte sich das nächste Glas voll.
»Golondrino, ich trinke zu viel«, bemerkte sie mit einem Seufzer.
»Wenn ich so weitermache, dann komme ich als Trinkerin aus dieser Sache raus und habe gleich die nächsten Probleme.«
Dennoch leerte sie das Glas. Sie pickte einige Tomaten- und Paprikastücke aus ihrem Salat und aß ein Stück Brot. Den Rest zerkrümelte sie gedankenverloren auf ihrem Teller. Sie schob die Erinnerung an Sandy energisch beiseite und dachte an Justus, wie er bleich und leblos in seinem Bett lag, durch die Medikamente, die in seine Adern flossen, betäubt und von einer Maschine künstlich zum Atmen gebracht.
Was würde geschehen, wenn er erwachte? Wenn er wieder gesund wäre – oder wenn er es nicht mehr werden würde? Wenn sein Gehirn geschädigt sein würde und er ein Leben als Behinderter vor sich hätte?
Das wäre allein deine Schuld, die du ein Leben lang büßen müsstest!
Sie wollte sich nicht vorstellen, wie es wäre, einen Mann Jahr um Jahr zu pflegen, für den es keine Aussicht auf Besserung gäbe – und dann auch noch mit der Last der Schuld, dass sie es gewesen war, die sein Leben zerstört hatte.
Nein, er wollte dich verlassen! Er hat euer Leben zerstört!, widersprach eine andere Stimme, die nach der alten Frau klang, die seit sie hier war durch ihre Träume geisterte.
War das Großtante Carmen? So wie Isaura sie sich vorstellte? Wie sie wohl gewesen war? Isaura versuchte sich auf die alte Frau und ihr Leben hier in der Einsamkeit Kastiliens zu konzentrieren, aber so leicht ließ sich ihr Geist nicht überlisten.
Das Splittern von Glas und dann sein Schrei. Sie hatte den Unfall
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