Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
sogleich auf den Weg. Aus dem Lager kam wieder ein Bote mit einem Schreiben des Königs. Hastig brach Isabel das Siegel und faltete den Brief auf.
»Gibt es etwas Neues?«, wagte Jimena zu fragen, als sie den sich wandelnden Ausdruck in Isabels Gesicht sah.
»Fernando will mit Alfonso verhandeln! Der Portugiese hat ihm einen Vertrag vorgeschlagen, den er für annehmbar hält.« Ihre Wangen wurden abwechselnd rot und blass. »Alfonso fordert Toro, Zamora und ganz Galicien! Ich muss sofort losreiten! Sattelt mir mein Pferd!«, rief Isabel und rannte mit gerafften Röcken in ihr Gemach, um sich umzuziehen.
»Ich werde dich begleiten«, sagte Jimena bestimmt, und Isabel nickte.
Nur kurze Zeit später sprengten die beiden Frauen durch das Stadttor hinaus; ein halbes Dutzend Bewaffneter folgte ihnen. In fast mörderischem Tempo trieb Isabel das große Schlachtross an, bis sie das Feldlager erreichten. Sie ritt bis vor das Zelt des Königs und sprang dann aus dem Sattel, ohne auf Hilfe zu warten. Jimena folgte ihr und überließ es den Männern, sich um die verschwitzten Pferde zu kümmern. Isabel und Jimena stürmten in das Zelt. Sie brauchten nur einen Augenblick, um die Situation zu erfassen. Auf der einen Seite des Tisches saßen König Fernando und seine engsten Vertrauten, auf der anderen drei Ritter, deren Wappen Jimena nicht kannte. Es mussten die Abgesandten des portugiesischen Königs sein. In der Mitte des Tisches lag ein Dokument mit mehreren Siegeln, daneben stand ein Tintenfass. Fernando hielt die Feder in der Hand, bereit, seine Unterschrift unter den Vertrag zu setzen, als Isabel an seine Seite stürmte und ihm die Feder aus der Hand nahm.
»Nicht eine Zinne!«, schrie sie empört. »Sagt das Eurem König! Nicht eine kastilische Zinne bekommt er!«
Jimena sah, wie Fernando rot anlief. Seine Frau hatte ihn vor den versammelten Adelsmännern gedemütigt, doch er beherrschte sich meisterhaft und sagte nur: »Ihr habt es gehört. Die Königin hat entschieden.«
Einfach hinnehmen würde er diesen Auftritt allerdings nicht, dafür kannte ihn Jimena inzwischen zu gut. Er würde warten, bis er den Streit mit seiner Frau und Königin unter vier Augen ausfechten konnte.
Vor ihrem Ritt zurück nach Tordesillas sprach Isabel noch einmal im Lager zu den Männern, was die Moral wieder für zwei Wochen stärkte, aber danach ging der besorgniserregende Schwund der kastilischen Truppen weiter. Nun setzten auch noch die ersten Herbststürme ein, und die Truppen mussten manche Nacht durchnässt und mit knurrendem Magen zubringen.
»Ich befürchte das Schlimmste«, raunte Jimena Beatriz zu. Sie standen in ihre Wollumhänge gehüllt am Fenster und starrten in den Regen hinaus, der die Konturen der Landschaft jenseits des Flusses verschwimmen ließ.
Beatriz nickte. »Ja, und es gibt nichts und niemanden, der uns helfen kann.«
Das zumindest erwies sich als falsch, denn am Nachmittag wurde die Ankunft von Fray Hernando de Talavera gemeldet. Neugierig folgten Jimena, Teresa und Beatriz der Königin in die Halle, wo rasch eine wärmende Mahlzeit für den Pater aufgetischt wurde. Es wunderte keinen, dass er weder den heißen Wein noch eine der Rebhuhnkeulen nahm, sondern sich lediglich an Brot, Gemüse und Wasser hielt.
Isabel begrüßte ihn erfreut und nahm seine Hände. »Wie gut, dass Ihr zurück seid. Ich hoffe, Ihr kommt mit guten Nachrichten. Wir könnten sie wirklich gebrauchen!«
Jimena sah erleichtert, wie ein Lächeln über das asketische Gesicht des Mönchs huschte. Er kam nicht mit leeren Händen.
Fray Hernando winkte den beiden Männern, die ihn begleitet hatten. Sie verließen die Halle und kamen kurz darauf mit einer sichtlich schweren Truhe zurück, die sie vor Isabel auf den Boden stellen. Isabel erhob sich und sah den Pater fragend an.
»Ja, macht sie auf, wenn Ihr möchtet.«
Auch die anderen, die sich im Saal versammelt hatten, rückten neugierig näher, als Isabel sich vorbeugte und den Deckel anhob.
Goldmünzen funkelten im Kerzenschein. Tausende von Goldmünzen. Ein Raunen lief durch den Saal, und Isabel sah den Pater mit feuchten Augen an.
»Woher habt Ihr diesen Schatz?«
»Das ist das Geld, das die Kirchen Kastiliens bereit waren, als Anleihe zu geben.«
Isabel schüttelte den Kopf. »Wie das? Verfügen die Kirchen über so viel Geld?«
»Nicht ganz«, gab Talavera zu. »Ich habe sie überredet, ihre sakralen Gefäße als Sicherheit zu geben, um bei den Juden weitere Anleihen zu
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