Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
bekommen. Und ich versprach, Ihr werdet die heiligen Gefäße wieder auslösen, sollte es Euch möglich sein.«
Isabel wusste nicht, was sie sagen sollte, doch dann verlangte sie zu wissen, wie genau der Pater die Hüter der Kirchen dazu gebracht hatte, ihr Heiligstes herauszurücken.
»Das, Majestät, kann nur Gottes flammendes Wort durch den Mund eines einfachen Sünders auf Erden«, antwortete der Mönch, und in seinen Augen blitzte es.
»Na, diese flammenden Worte hätte ich zu gern gehört«, raunte Jimena Beatriz zu, die amüsiert nickte.
Sie hatten Zeit gewonnen, mehr nicht. Der Sold und einige Tage Wein und reichlich zu essen hoben den Mut der Truppe, und sie schworen ihrer Königin erneut ihre Treue. Zumindest an diesem Tag waren sie bereit, ihr bis zum bitteren Ende – wann immer das auch sein mochte – zu folgen.
Der Herbst ging in den Winter über, und ein eisiger Sturmwind trieb den ersten Schnee vor sich her, doch noch immer war keine Entscheidung in Sicht. Isabel lief wie ein gefangenes Raubtier im Palast auf und ab und schien nahe daran zu sein, den Verstand zu verlieren, als Kardinal Mendoza zu Besuch kam und die ersten guten Nachrichten brachte, seit Fray Hernandos Goldtruhen in Tordesillas angekommen waren.
»Was tut Ihr hier?«, rief Isabel statt einer Begrüßung und vergaß ganz, seinen Ring zu küssen, doch der Kardinal sah darüber hinweg.
»Wie steht es in Burgos?«, drängte sie und sah ihn mit bangem Blick an.
»Keine Sorge, Majestät«, beruhigte er sie. »Ich habe das Kommando in fähigen Händen zurückgelassen.« Fragend runzelte Isabel die Stirn.
»Euer Schwiegervater Juan hat sich nun doch entschieden, dass es nicht schlecht wäre, Euch und seinem Sohn ein wenig zu helfen. Er hat nicht nur seine Truppen geschickt, so weit er sie entbehren konnte. Unter dem Befehl seines natürlichen Sohns Alfonso von Aragón sandte er auch mauerbrechende Geschütze!« Isabels Augen wurden groß.
»Ihr habt das Kommando diesem illegitimen Sohn überlassen?«
Der Kardinal nickte. »Ja, denn er hat mich in nur wenigen Tagen von seinem Geschick als Kommandant überzeugt. Ich sage Euch, Majestät, Burgos ist in wenigen Tagen sturmreif!«
Isabel begann zu strahlen. Endlich ein Erfolg! Endlich kam Bewegung in die Sache, und – wer konnte es schon sagen? –vielleicht würde der Fall von Burgos auch die Selbstsicherheit des Portugiesen ins Wanken bringen.
»Das wollte ich Euch persönlich sagen, ehe ich mich wieder auf den Weg nach Norden begebe«, schloss Kardinal Mendoza mit einem väterlichen Lächeln.
»Ja, ruht Euch ein wenig aus, ehe wir aufbrechen!«, sagte Isabel, die seit Wochen zum ersten Mal wieder diese Kraft und dieses Strahlen zeigte, das jeden, der sie sah, so in seinen Bann zog.
»Hat sie wir gesagt?«, erkundigte sich Beatriz leise, und der Schreck stand ihr ins Gesicht geschrieben, als Jimena nickte.
»Sie will mit nach Burgos? Mitten im Winter bei diesem Wetter?«
»Aber ja, sie wird als die siegreiche Königin in ihre abtrünnige Stadt einziehen, die ihr niemals wieder die Treue brechen wird!«
»Dazu muss sie erst einmal dort hinkommen«, brummte Beatriz. »Es sind bestimmt mehr als fünf Tagesritte!«
Es wurden sechs. Isabel brach sogleich am nächsten Tag zusammen mit Kardinal Mendoza und seinen Männern auf. Jimena bestand darauf, sie zu begleiten, während Beatriz gern dem Befehl folgte, in Tordesillas zu bleiben. Auch Teresa blieb zurück, was Jimena allerdings viel Überredungskunst abverlangte. Nur die Tatsache, dass sie sich ein wenig schwach und fiebrig fühlte und gar die Gefahr bestand, sie würde den Ritt der Königin aufhalten, ließ sie unter Tränen zustimmen. Jimena umarmte sie zum Abschied und versprach, bald mit der siegreichen Königin zurück zu sein.
Falls Jimena gedacht hatte, ihre bisherigen Reisen mit Isabel hätten bereits das Äußerste von ihr gefordert, so wurde sie nun eines Besseren belehrt. Am ersten Tag war es nur kalt und schneite leicht, dennoch war sie am Abend so durchgefroren, dass sie Stunden brauchte, ehe das Gefühl in ihre Glieder zurückkehrte und sie wenigstens ein bisschen Schlaf fand. Als sie sich am nächsten Tag erhoben, war es noch dunkel, doch sie konnten das Pfeifen des Windes hören, der sich in der Nacht zu einem Sturm ausgewachsen hatte. Die Männer wechselten Blicke voller Unbehagen. Ihnen war bewusst, was eine Reise über Land bei diesem Wetter bedeutete. Den direkten Weg über die Ebene wollte keiner nehmen, zu
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