Das kastilische Erbe: Roman (German Edition)
mit Juana tauscht, ist ihre jüngste Tochter Catalina. Sie wurde erst nach dem Tod ihres Vaters Felipe el hermoso geboren und wuchs in den beiden dunklen Gefängnisräumen auf, die sie mit ihrer Mutter teilte.«
»Ja, ich erinnere mich«, hauchte Isaura und trat näher, sodass sie das Gesicht des jungen Mädchens fast berührte. »Das arme, traurige Kind in der ewigen Dunkelheit. Wir haben im Ankleidezimmer ein paar Steine aus der Wand gebrochen, damit sie wenigstens den Kindern draußen beim Spielen zusehen kann.«
Als sie bemerkte, was sie gerade gesagt hatte, schlug sie sich vor Schreck die Hand vor den Mund. Sie hatte von etwas gesprochen, das nur jemand wissen konnte, der dabei gewesen war.
»Das muss ich irgendwo gelesen haben«, behauptete sie dennoch, aber sie konnte weder die Nonne noch sich selbst damit überzeugen.
»Catalina«, sagte sie und lauschte dem Klang des Namens. »Man hat sie von ihrer Mutter weggeholt.«
Maria Anna nickte. »Ja, Carlos hat für seine jüngere Schwester eine Ehe mit Juan III. von Portugal arrangiert, und so wurde Catalina, das Kind aus dem Dunkeln, Königin von Portugal.«
»… und musste ihre Mutter, deren einziger Halt sie war, in ihrem Gefängnis in Tordesillas allein zurücklassen«, ergänzte Isaura.
»Das ist nicht ganz richtig«, widersprach die Nonne mit leiser Stimme und sah Isaura eindringlich an. »Sie hatte noch ihre treue Hofdame, die ihr all die Jahre nicht von der Seite wich und ihr schweres Schicksal mit ihr teilte.« Sie deutete auf eine weitere weibliche Gestalt, die schräg hinter der Königin ein wenig dunkler dargestellt war, so als halte sie sich außerhalb des Lichtscheins auf, sich, ihrer Stellung bewusst, nicht in den Vordergrund drängend. Maria Anna rückte die beiden Feuerschalen näher, sodass Isaura die Gestalt besser erkennen konnte, doch ihr Herz hatte längst einen Satz gemacht, und ihr Magen schlingerte und krampfte sich zusammen. Es war ihr, als hätte sie sich selbst ins Gesicht gesehen.
»Das ist eine Täuschung«, hauchte sie. »Ein Zufall. Eine Ähnlichkeit, ja, ich habe bereits ein Gemälde dieser Frau gesehen.«
Sie schluckte, als sie den Schmuck erkannte, den die Hofdame um den Hals trug. Das Collier mit den Rubinen und den tropfenförmigen Perlen. Das Geschmeide, das in einer kleinen Holzschachtel in ihrem Häuschen lag.
Plötzlich fuhr sie herum und sah die Nonne eindringlich an. »Gibt es denn einen Namen? Weiß man, wer diese Hofdame war?«
Maria Anna nickte. »Ja, sie wird in mehreren Unterlagen erwähnt, und auch der Maler hat ihren Namen festgehalten. Sie hieß Teresa de Lucena.«
»Teresa de Lucena.« Isaura wiederholte den Namen. »Sehen Sie, das ist die Erklärung. Vermutlich eine Ahnin, deren Vermächtnis meine Großtante Carmen aufbewahrt hat.«
Maria Anna legte den Kopf schief. »Vielleicht.«
Sie musste nicht wiederholen, dass das nicht die Träume und auch nicht die vermeintlichen Erinnerungen erklärte, die Isaura immer häufiger überfielen.
Sie nahm das schwarze Tuch und verhüllte das Gemälde wieder sorgfältig. Dann löschten sie das Feuer in den Schalen. Der Raum fiel zurück in seinen Dämmerschlaf, in dem er wer weiß wie viele Jahre geruht hatte.
Die beiden Frauen kehrten schweigend in das Oktogon zurück. Nun erst sah Isaura die vielen Regale und Schränke mit Büchern und Pergamentstapeln.
»Ist das alles über Juana?«, fragte sie beeindruckt.
»Über sie und über ihre Mutter Isabel. Damit beginnt alles.«
Isaura griff sich ein dickes Buch und war nicht erstaunt, La Caminata auf dem Einband zu lesen. Sie schlug es auf und rückte ihre Lampe zurecht. Und dann las sie über Teresa de Lucena und ihre Mutter Dominga, die zusammen mit ihrer Cousine Jimena de Morón nach Arévalo gekommen waren, um der Stiefmutter des Königs zu dienen und ihrer kleinen Tochter Isabel, von der damals noch keiner ahnte, dass sie einst die größte Herrscherin Spaniens werden würde.
Nachwort der Autorin: Dichtung und Wahrheit
Isaura Thalheim und ihre Geschichte habe ich erfunden. Sie und die Personen, die um sie herum auftreten, gibt es nicht, genauso wenig wie ihre Vorfahren Jimena, Dominga, Teresa und Ramón. Das katholische Königspaar hingegen hat es gegeben, und dessen Geschichte hat sich so, wie ich es berichte, zugetragen. Zumindest werden die Ereignisse von den Autoren Ladero, Leicht und Pérez so dargestellt. Unter der Rubrik »Wichtige Personen« auf den Schlussseiten dieses Buches sind alle
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