Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
legte einen Schalter um. Das Band kam zum Stillstand; das Bild an der Wand blieb stehen. »Ja«, sagte Varak. »Die Kamera ist ausgelöst worden. Sie ist sehr empfindlich. Es war um drei Uhr nachmittags. Jemand hat das Haus betreten, offensichtlich von hinten, außer Sichtweite der Kamera.« Er legte den Schalter wieder um, und das Band setzte seinen Lauf fort. Dann hielt es wieder an. Der Projektor schaltete sich automatisch ab. Wieder sah St. Claire Varak fragend an.
»Sie sind jetzt im Haus. Die Kamera ist ausgeschaltet. Wir gehen auf Audio.« Der Agent drückte einen Knopf auf seinem Bandgerät.
Die Geräusche von Schritten waren zu hören, eine Tür öffnete sich, das Quietschen eines Scharniers, wieder Schritte, eine zweite Tür, die geöffnet wurde. »Es sind zwei Männer«, sagte Varak. »Oder vielleicht auch ein Mann und eine schwere Frau. Nach der Dezibel-Aufzeichnung wiegt jeder über siebzig Kilo.« Eine Folge raschelnder Geräusche und dann ein seltsames, unheimliches Blöken. Das Geräusch wiederholte sich, diesmal deutlicher und auf seine Art beängstigend. Varak sagte: »Das ist ein Tier. Aus der Familie der Schafe, würde ich sagen. Vielleicht auch ein Schwein. Ich werde das später schärfer einstellen.«
Die nächsten Minuten waren mit harten, schnellen Geräuschen angefüllt. Papier, das geschnitten wurde, Leder und Stoff, die man aufschlitzte, Schubladen, die man öffnete. Schließlich das Klirren von Glas und dazwischen die jämmerlichen Schreie des unbekannten Tieres, Schreie, die plötzlich in ein Kreischen übergingen.
»Das Tier wird getötet«, erklärte Varak ruhig.
»Du lieber Gott!« sagte St. Claire.
Dann kam eine menschliche Stimme aus dem Lautsprecher. Zwei Worte.
Gehen wir .
Das Band hielt an. Varak schaltete das Gerät ab. »Die nächste Aufzeichnung ist etwa drei Stunden später. Kastler und MacAndrews Tochter treffen ein. Es gibt eine zwanzig Sekunden lange Video-Aufnahme des Hauses; die Eindringlinge verlassen es — wieder außer Kamera-Reichweite. Wir haben also keine Bilder.« Der Agent hielt inne, als wüßte er nicht, wie er das, was jetzt kam, erklären sollte. »Ich habe ein Stück herausgeschnitten und werde es, mit Ihrer Erlaubnis, vernichten. Es ist nicht relevant. Es etabliert nur die Tatsache, daß Kastler und das Mädchen eine Beziehung eingegangen sind. Wahrscheinlich auf kurze Zeit.«
»Ich verstehe und danke Ihnen«, sagte Bravo.
Wieder erschien kurz das Haus an der Wand. Es war jetzt Nacht. Man konnte einen Wagen sehen, der über den Plattenweg zur Haustür fuhr. Alison stieg aus und stand einen Augenblick da und blickte zu dem Haus hinüber. Sie ging den Plattenweg hinunter. Kastler erschien jetzt, er trug Einkaufstüten. Sie blieben auf der kleinen Veranda stehen, redeten kurz, dann klappte das Mädchen seine Handtasche auf und suchte einen Schlüssel. Sie nahm ihn heraus und öffnete die Tür. Die beiden schienen sich über irgend etwas zu wundern. Eine weitere Diskussion folgte, diesmal erregter als zuvor, und dann gingen sie hinein. Als die Tür sich schloß, hielt das Video-Band an. Varak drückte wortlos den Knopf des Tonwiedergabegerätes.
Kommen Sie, wir stellen die Tüten in die Küche . Das Mädchen. Schritte, das Rascheln von Papier, das metallische Ächzen eines Scharniers, dann ein längeres Schweigen. Schließlich sprach die Frau wieder.
Mein Vater hat, wo immer das möglich war, die Umgebung rekonstruiert, die sie mit ihrer Kindheit in Verbindung brachte.
Kastler: Es war eine außergewöhnliche Liebesgeschichte .
Es war ein außergewöhnliches Opfer . Das Mädchen.
Ihnen war das nicht recht, nicht wahr . Kastler.
Ja, da haben Sie recht. Er war ein außergewöhnlicher Mann . ..
Plötzlich beugte Varak sich vor und legte den Schalter um. »Das ist der Schlüssel: die Mutter . Ich würde alles, was ich weiß, darauf aufbauen. Chasŏng ist eine Täuschung. Hören Sie die nächste halbe Stunde sehr, sehr genau hin. Der Schriftsteller in Kastler klammert sich instinktiv an ihr fest, aber sie hat es ihm ausgeredet. Nicht absichtlich, weil ich nicht glaube, daß sie etwas weiß.«
»Ich werde sehr sorgfältig zuhören, Mr. Varak.«
Das taten sie beide. Einige Male sah Bravo sich gezwungen, die Augen weghuschen zu lassen, auf nichts hin, als Reaktion auf das
Unerwartete: auf den Schrei des Mädchens aus dem Arbeitszimmer ihres Vaters, auf das Schluchzen und die Tränen, die folgten, auf Kastlers Mitgefühl und sein scharfes Verhör. Die
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