Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
Einrichtung passend; er war bestimmt schon vierzig Jahre alt. Im Kühlschrank war Kaffee, und Peter versuchte, sich zu erinnern, wie man mit gemahlenem Kaffee und einem Filtertopf umging. Er tat sein Bestes und ließ den Filtertopf schließlich auf kleiner Flamme stehen.
Er ging ins Wohnzimmer zurück. Leise zog er den Rest seiner Kleider an, ging in die Halle zurück und trat ins Freie. Ihre beiden Koffer und seine Aktentasche würden ihnen in einem gemieteten Wagen nicht viel nützen, der draußen in der kleinen Einfahrt parkte.
Es war kalt und feucht. Der Winter von Maryland konnte sich noch nicht recht entscheiden, ob er Schnee bringen oder sich mit eisigem Nebel begnügen sollte. Die Feuchtigkeit in der Luft drang ihm jedenfalls in alle Poren. Peter öffnete die Wagentür und griff nach dem Gepäck auf dem Rücksitz.
Plötzlich erstarrte sein Blick; er war außerstande, den Schrekkenslaut zu unterdrücken, der sich seiner Kehle entrang. Der Anblick, der sich ihm bot, war widerlich, grotesk.
Und er erklärte das Blut an den Wänden von MacAndrews Arbeitszimmer und an dem Nachthemd.
Auf seinem Koffer, der auf dem Sitz lag, über dem von Alison, den er auf den Boden gestellt hatte, lagen die abgetrennten Hinterbeine eines Tierkadavers, seine häßlichen Sehnen standen ein Stück über dem blutgetränkten Pelz hervor. Und auf dem Leder, mit dem Finger ins Blut gemalt, war das Wort zu lesen:
CHASŎNG
Ein Schaudern der Furcht und des Ekels verdrängte den Schock, den Peter empfand. Er schob sich rückwärts aus dem Wagen, seine Augen huschten über das dichte Blattwerk und zur Straße hinaus. Er ging vorsichtig um den Wagen herum, kniete nieder und hob einen Steinbrocken auf, wußte nicht, weshalb er das tat, und gewann doch seltsamerweise von dem Gewicht der primitiven Waffe nur wenig Sicherheit.
Ein Zweig knackte! Irgendwo war ein Stück Holz abgebrochen. Dort oder dort, Schritte.
Jemand rannte. Rannte ganz plötzlich! Auf Kies.
Peter wußte nicht, ob das Geräusch oder die Tatsache, daß die Schritte sich entfernten, seine Furcht lösten, jedenfalls rannte er so schnell er konnte hinter den Schritten her. Sie wurden leiser; jetzt bewegten sich die laufenden Füße auf einer harten Fläche, nicht auf Kies. Die Straße!
Er brach durch die Büsche, Zweige peitschten sein Gesicht, Wurzeln und Baumstümpfe behinderten ihn. Dann erreichte er die Straße; fünfzig Meter entfernt konnte er eine Gestalt in dem schwachen frühen Morgenlicht zu einem Wagen rennen sehen. Dampf mischte sich in den Morgennebel; der Motor des Wagens wurde angelassen. Eine unsichtbare Hand im Inneren öffnete die rechte Tür; die Gestalt sprang hinein, und der Wagen schoß im Halbdunkel davon.
Peter stand auf der Straße, Schweiß rann ihm über die Stirn. Er ließ den Steinbrocken fallen und wischte sich das Gesicht.
Er erinnerte sich an die Worte, Worte, die eine ärgerliche Frau im Kerzenlicht im Hay-Adams in Washington ausgesprochen hatte.
Fleischgewordener Terror von der Hand eines Menschen.
Das war es, was er jetzt erlebte. Jemand wollte Alison MacAndrew so erschrecken, saß die dabei den Verstand verlor. Aber warum? Ihr Vater war tot. Welchen Nutzen brachte es, die Tochter zu erschrecken?
Er beschloß, Alison einen Teil des Schrecklichen vorzuenthalten. Er wollte ihr das ersparen. Alles hatte sich zu schnell ereignet, aber er wußte, daß eine Leere in ihm im Begriff war, ausgefüllt zu werden. Alison war in sein Leben getreten.
Er fragte sich, ob es dabei bleiben würde. Diese Frage war plötzlich sehr wichtig für ihn. Er wandte sich um und ging zum Wagen zurück, entfernte die blutdurchtränkten Tierbeine und warf sie ins Gehölz. Dann hob er die beiden Koffer und seine Aktentasche heraus und trug sie ins Haus. Er war froh, daß Alison noch schlief.
Alisons Koffer ließ er im Korridor stehen und trug den seinen samt der Aktentasche in die Küche. Er erinnerte sich daran, daß man Blut leichter mit kaltem als mit heißem Wasser entfernte. Er drehte den Wasserhahn auf, fand Papiertücher und rieb in einer Viertelstunde das besudelte Leder sauber. Die verbleibenden Spuren schabte er mit der Klinge eines Brotmessers weg, bis auch die Umrisse der Buchstaben verschwanden.
Dann öffnete er, aus Gründen, die er sich selbst nicht erklären konnte, seine Aktentasche, entnahm ihr seinen Schreibblock und legte ihn in der altmodischen Küche auf den Tisch. Der Kaffee brodelte. Er schenkte sich eine Tasse ein und ging zum Tisch
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