Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
Uniformmantel verschränkt.
Das Ganze war sehr seltsam.
Fünf Minuten verstrichen. Der Türsteher machte keine Anstalten, in die Halle zu kommen. Ob er ihn vergessen hatte? Kastler stand auf und sah sich um. Er hatte mit einer Telefonistin gesprochen; wo war die Telefonvermittlung bloß?
Am hinteren Ende der Lobby war eine kleine Glasscheibe, eingezwängt zwischen Reihen von Briefkästen und ein paar Aufzügen. Er ging auf die Scheibe zu und spähte hinein. Die Telefonistin sprach in ein Mikrofon, das an ihren Kopfhörern befestigt war. Sie sprach schnell und engagiert; ein Gespräch zwischen Freunden, nicht zwischen Telefonvermittlung und einem fremden Anrufer. Peter klopfte ans Glas; die junge Frau unterbrach ihr Gespräch und zog die Glasscheibe auf.
»Ja, Sir?«
»Ich versuche, Phyllis Maxwell zu erreichen. Würden Sie bitte ihre Wohnung anrufen und mich mit ihr sprechen lassen? Es ist dringend.«
Die Reaktion der Telefonistin war ebenso eigenartig wie die des Türstehers. Anders, aber seltsam. Sie zögerte, man spürte ihre Verlegenheit. »Ich glaube nicht, daß Miß Maxwell zu Hause ist«, sagte sie.
»Das wissen Sie doch erst, wenn Sie angerufen haben, oder?«
»Haben Sie schon mit dem Portier gesprochen?«
»Was, zum Teufel, soll das?« Peter begriff. Diese Leute befolgten Anweisungen, die man ihnen erteilt hatte. »Rufen Sie die Wohnung an!«
Wie er hätte vorhersagen können, meldete sich niemand, und es hatte keinen Sinn, noch mehr Zeit zu vergeuden. Er ging schnell wieder hinaus und baute sich vor dem Portier auf.
»Wollen Sie jetzt mit dem Unsinn aufhören? Sie haben mir doch etwas zu sagen. Was denn?«
»Das ist etwas kompliziert.«
»Was ist kompliziert?«
»Sie hat Sie beschrieben und gesagt, Ihr Name sei Kastler. Wenn Sie, sagen wir, vor einer Stunde, gekommen wären, hätte ich sagen sollen, Sie sollen gegen elf noch einmal kommen. Miß Maxwell hätte angerufen und gesagt, sie sei bis elf zurück.«
Peter sah auf die Uhr. »Also gut, es ist beinahe elf. Was passiert dann?«
»Nur noch ein paar Minuten, okay?«
»Nicht okay, jetzt. Oder Sie können das, was Sie zu sagen haben, mir und der Polizei sagen.«
»Okay, okay. Was soll’s auch. Es sind ja nur noch ein paar Minuten.« Der Türsteher griff in die Manteltasche und holte einen Umschlag heraus. Er gab ihn Kastler.
Peter sah den Mann an, dann den Umschlag. Sein Name stand darauf. Er trat ins Licht zurück, riß den Umschlag auf und entnahm ihm den Brief.
Mein lieber Peter, es tut mir leid, daß ich weggelaufen bin, aber ich wußte, daß Sie mir folgen würden. Sie haben mir das Leben gerettet — und in gewissem Maß auch den Verstand — und Sie haben Anspruch auf eine Erklärung. Ich fürchte nur, diese Erklärung wird nicht vollständig sein.
Wenn Sie dies lesen, werde ich bereits im Flugzeug sitzen. Versuchen Sie nicht, mich ausfindig zu machen. Es wäre unmöglich. Ich hatte schon seit einigen Tagen einen falschen Paß und wußte, daß ich ihn eines Tages brauchen würde. Anscheinend ist die Zeit dafür jetzt gekommen.
Heute nachmittag, nach diesem schrecklichen Anruf, in dem man mir eröffnet hatte, ich sei eine Person in Ihrem Roman, habe ich meine Zeitung informiert, daß ich aus gesundheitlichen Gründen einen längeren Urlaub antreten müsse. Um die Wahrheit zu sagen, mein Chefredakteur hat mir keine großen Schwierigkeiten gemacht. Meine Arbeit war in den letzten Monaten nicht gerade überwältigend.
Die Entscheidung, hier wegzugehen, kommt nicht plötzlich. Ich habe schon eine ganze Weile darüber nachgedacht. Das, was heute abend passiert ist, hat diese Entscheidung einfach unumstößlich gemacht. Womit auch immer ich mich schuldig gemacht habe, es rechtfertigt nicht, daß ich mein Leben dafür verliere. Das meine, das Ihre, oder das von sonst jemanden, Und es sollte auch die berufliche Verantwortung, die ich trage, nicht beeinträchtigen.
Letzteres ist geschehen. Meine Arbeit wird beeinträchtigt. Wahrheiten werden zurückgehalten, obwohl sie an die Öffentlichkeit getragen werden müßten. Daß ein Leben gefährlich wurde, konnte vermieden werden — wer weiß, wie lange? — und dafür muß ich Ihnen danken. Länger ertrage ich das nicht.
Ich danke Ihnen für mein Leben. Und bitte Sie von ganzem Herzen um Nachsicht dafür, daß ich geglaubt habe, Sie seien Teil von etwas, mit dem Sie nichts zu tun haben.
Etwas in mir sagt, geben Sie um Gottes willen Ihr Buch auf!
Aber eine andere Stimme, die sagt,
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