Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
wieder, eine ganze Woche der Übung für eine einzige Vorstellung, die nur eine Minute dauern würde.
Übung. Vorstellung.
Worte aus einem fast vergessenen Lexikon.
Sie war nicht dumm. Der fremde, blonde Mann, der sie bezahlt hatte, hatte ihr sehr wenig erklärt, aber genug, um sie wissen zu
lassen, daß das, was sie tun sollte, etwas Gutes war. Ausgedacht von viel besseren Menschen als dem Mann, mit dem sie in ... vierzig Sekunden ... telefonieren würde.
Die Frau dachte nach, während sie zusah, wie sich der Sekundenzeiger langsam weiterschob. Einmal hatten sie gesagt, ihr Mann sei talentiert; alle hatten das gesagt. Er war auf dem Weg dazu, ein Star zu werden, ein echter Star, nicht nur jemand mit einem fotogenen Gesicht. Alle hatten das gesagt.
Und dann kamen andere Leute, sagten, sein Name stünde auf einer Liste. Einer sehr wichtigen Liste, die bedeutete, daß er kein guter Bürger wäre. Und alle, die auf jener Liste standen, bekamen einen Stempel aufgedrückt.
Subversiv.
Und dieser Stempel wurde ganz legitim erteilt. Schmallippige, junge Männer in dunklen Anzügen begannen in Studios und den Büros von Produzenten aufzutauchen.
Federal Bureau of Investigation.
Dann gingen sie hinter verschlossene Türen und führten private Gespräche.
Subversiv. Das war ein Wort, das mit dem Mann in Verbindung stand, mit dem sie gleich sprechen würde.
Sie griff nach dem Telefon. »Das ist für dich, mein Liebster«, flüsterte sie. Sie war bereit; das Adrenalin floß, wie es früher geflossen war. Und dann überkam sie große Ruhe. Sie war voll Selbstvertrauen, war wieder in ihrem Fach. Die größte Vorstellung ihres Lebens begann.
John Edgar Hoover lag im Bett und versuchte, sich auf den Fernsehschirm auf der anderen Seite des Zimmers zu konzentrieren. Er wechselte die ganze Zeit mit dem Fernschalter die Stationen; keines der Bilder war klar. Das seltsame hohle Gefühl in seiner Kehle ärgerte ihn. Er hatte das noch nie zuvor erlebt; es war gerade, als hätte man ihm ein Loch in den Hals gebohrt und zuviel Luft in seine Lungen gelassen. Aber da war kein Schmerz, nur ein unangenehmes Gefühl, das irgendwie mit dem verzerrten Geräusch in Verbindung stand, das jetzt von dem Fernseher kam.
Auf und ab. Lauter, dann wieder leiser.
Und seltsamerweise hatte er Hunger. Er hatte nie um diese Zeit Hunger gehabt; er hatte sich dazu abgerichtet.
Es war alles sehr lästig, und das kleine Klingeln seines Privattelefons machte es noch ärgerlicher. Höchstens zehn Leute in Washington hatten die Nummer; er fühlte sich jetzt einer Krise
nicht gewachsen. Er griff nach dem Telefon und sagte ärgerlich: »Ja? Was ist denn?«
»Mr. Hoover. Tut mir leid, Sie stören zu müssen. Aber es ist dringend.«
»Miß Gandy?« Was war denn nur mit seinem Gehör? Gandys Stimme schien auf- und abzuschwellen, zuerst lauter, dann wieder leiser. »Was ist los, Miß Gandy?«
»Der Präsident hat von Camp David aus angerufen. Er ist zum Weißen Haus unterwegs und möchte, daß Sie sich heute abend mit Mr. Haldeman treffen.«
»Heute abend? Warum?«
»Er hat gesagt, ich solle Ihnen mitteilen, es sei eine äußerst wichtige Angelegenheit, und es gehe um Informationen, welche die CIA in den letzten achtundvierzig Stunden gesammelt hat. «
John Edgar Hoover konnte nicht verhindern, daß sich seine Stirn runzelte. Die Central Intelligence Agency war etwas Widerliches, eine Bande von Heuchlern und Speichelleckern, die von den Liberalen angeführt wurde. Man konnte ihr nicht vertrauen.
Ebensowenig konnte man dem augenblicklichen Bewohner des Weißen Hauses vertrauen, aber wenn er Informationen besaß, die rechtmäßig dem Bureau gehörten, und diese Informationen von genügender Wichtigkeit waren, um einen Mann — ausgerechnet diesen Mann — mitten in der Nacht auszusenden, um sie zu überbringen, dann hatte es keinen Sinn, sich zu sträuben.
Hoover wünschte sich, das hohle Gefühl in seiner Kehle würde aufhören. Es war wirklich unangenehm. Und dann war da noch etwas lästig. »Miß Gandy, der Präsident hat diese Nummer. Warum hat er nicht selbst angerufen?«
»Er wußte, daß Sie auswärts essen, er weiß, daß Sie es nicht mögen, wenn man Sie in einem Restaurant stört. Ich sollte das Zusammentreffen koordinieren.«
Hoover kniff die Augen zusammen und blickte durch seine Brille auf die Uhr auf dem Nachttisch. Es war nicht mitten in der Nacht; es war gerade Viertel nach zehn. Das hätte er wissen müssen. Er hatte Tolsons um acht
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