Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
sagte er mit auffällig britischem Akzent.
Das Büro erstreckte sich über beinahe dreizehn Meter. Der schwere Mahagonischreibtisch am einen Ende stand etwas erhöht, zwei niedrigen, üppig gepolsterten Ledersesseln gegenüber, so daß die Besucher gezwungen waren, den Blick etwas nach oben zu richten. Hinter dem Schreibtisch, so daß man die Wand nicht sehen konnte, reihten sich Flaggen; das Banner des Federal Bureau of Investigation teilte sich die Mittelposition mit der der Nation.
Varak stand reglos vor dem Schreibtisch, die Augen auf die zwei Telefone gerichtet. Der Hörer des einen Instruments lag neben der Gabel, die Verbindung führte zu einem Telefon im Keller des Gebäudes, zu einem Mann im Relaisraum, wo alle Alarmanlagen
überwacht wurden. Das andere Telefon war intakt; ein Direktapparat, der nicht mit der Zentrale des Bureaus verbunden war. Auf dem kreisrunden Etikett in der Mitte der Wählscheibe war keine Nummer angegeben.
Die mittlere Schublade des Schreibtisches stand offen. Neben ihr stand ein zweiter Mann, dessen rechte Hand vom Licht der Schreibtischlampe beleuchtet wurde. Er hatte sie mit nach oben gerichteter Handfläche in der Schublade, und seine Finger berührten einen kleinen Schalter, der in den Schreibtisch eingelassen war.
Das Telefon begann zu klingeln. Varak nahm bei der ersten Andeutung des Geräusches ab. Er sagte leise nur ein Wort: »Flaggen.«
»Phase eins abgeschlossen«, kam die Antwort über den Draht.
Varak nickte. Der Mann vor ihm betätigte den unsichtbaren Schalter.
Vier Stockwerke tiefer beobachtete ein dritter Mann ein Schaltbrett mit dunklen Quadraten, das in die Wand eingelassen war. Er hörte das Pfeifen aus dem offenen Telefon, das in Reichweite neben ihm auf dem Stahltisch lag.
Plötzlich zerriß das Schrillen einer Glocke die Stille. Ein rotes Licht mitten auf dem Brett leuchtete grell auf.
Der Mann drückte das Quadrat unter dem grellroten Licht.
Stille.
Ein uniformierter Posten kam durch die Korridortüre gerannt, die Augen geweitet.
»Wir führen hier einen Test durch«, sagte der Mann vor dem Schaltbrett und legte ruhig den Hörer auf. »Das sagte ich Ihnen doch.«
»Herrgott!« erregte sich der Mann und atmete tief. »Ihr Nachtkriecher treibt mich noch in den Infarkt.«
»Dazu würde ich es nicht kommen lassen«, sagte der Mann und lächelte.
Varak sah zu, wie Salter die Tür des begehbaren Schrankes hinter den Flaggen öffnete und in dem Raum das Licht anknipste. Die beiden Telefone lagen wieder auf ihren Gabeln; es würde noch einen Anruf geben. Von Varak an Bravo.
Nicht Genesis. Genesis war tot.
Der Mann war jetzt Bravo. Er würde erfahren, daß der Auftrag erledigt war.
Ein paar Meter vor den Flaggen standen zwei Metallkörbe auf Rädern. In den Korridoren des Büros boten sie einen vertrauten Anblick; hier rollten Dutzende wie sie und bewegten Berge von Papier von einem Büro zum anderen. In ein paar Minuten würden sie mit hunderten, vielleicht sogar ein paar tausend Akten gefüllt und ins Untergeschoß gebracht werden, an einem Senioragenten Namens Parke vorbei zu einer wartenden Limousine. Die Akten von John Edgar Hoover würden einem Verbrennungsofen zugeführt werden.
Und ein langsam heranwachsendes Viertes Reich würde seiner Stützen beraubt sein.
»Varak! Schnell!«
Der Ruf kam aus dem Raum hinter den Flaggen. Varak rannte hinein.
Der stählerne Safe stand offen, die Schlösser der einzelnen Fächer waren aufgeschlossen, die vier Schubladen herausgezogen.
Die beiden Schubladen links drohten unter der Last der Papiere zu bersten. Die Akten A bis L waren da.
Die beiden Schubladen rechts waren leer. Die Metallplatten, welche die Aktendeckel voneinander trennen, sie aufrechthalten sollten, fielen gegeneinander, enthielten nichts.
Die Akten M bis Z fehlten. Eine Hälfte von Hoovers Schrank voll Unrat war verschwunden.
4
Kastler lag in der Sonne und las die Los Angeles Times. Die Schlagzeilen schienen ihm fast unwirklich, so, als wäre das, worüber sie berichteten, in Wirklichkeit nicht möglich, irgendwie ein Produkt seiner Fantasie. Endlich war der Mann tot. J. Edgar Hoover war ganz unbedeutend in seinem Bett gestorben, so wie Millionen alter Männer starben. Ohne Drama, ohne Folgen. Einfach die Unfähigkeit seines Herzens, mit den Jahren Schritt zu halten. Aber mit jenem Tod ging Erleichterung durch das Land; das spürte man selbst in dem Zeitungsartikel, der über den Tod berichtete.
Die Erklärungen, die der
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