Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
Streifenwagen in diesem stillen Teil der Stadt.
Seine Schläfen tobten. Seine linke Schulter schmerzte, und seine Stirn fühlte sich an, als wäre jemand mit einer Feile darübergefahren. Er betrachtete seine rechte Handfläche. Die Haut war rot; an einigen Stellen war Blut an die Oberfläche getreten.
Langsam - er hatte den Eindruck, meilenweit zu Fuß gegangen zu sein — begann Kastler wieder zu sich zurückzufinden. Es war eine seltsame Erkenntnis, ein noch seltsamerer Vorgang. Wissen und doch nicht zu wissen, und dabei den gefährlichen Geisteszustand zu erkennen, in dem er sich befand. Auf unbestimmte Weise begriff er, daß die Verteidigungswaffen, die ihm zur Verfügung standen, nicht ausreichten, um all die Attacken abzuwehren, die seinen Geist, seine Vernunft bedrängten. Also versuchte er, die Bilder aus seinem Bewußtsein zu verdrängen. Er war ein Mann, der sich verzweifelte Mühe gab, sich selbst wieder in den Griff zu bekommen. Er mußte Entscheidungen treffen.
Er sah auf die Uhr und kam sich wie ein verlorener Reisender in einem fremden Land vor, dem man gesagt hatte, wenn er bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht ein bestimmtes Ziel erreicht hatte, hatte er irgendwo einen falschen Weg eingeschlagen. Er hatte viele Male einen falschen Weg eingeschlagen. Er blickte auf das Straßenschild; ein Name, den er noch nie gehört hatte.
Die Sonne sagte ihm, daß es Morgen war. Dafür war er dankbar. Er war vier Stunden durch die Straßen gegangen.
Vier Stunden. Mein Gott, ich brauche Hilfe.
Sein Wagen! Der Mercedes war noch bei den Cloisters, parkte auf der Straße vor dem Westeingang. Er steckte die Hand in die Hosentasche und holte die Spange heraus, in der sein Geld steckte. Er hatte genug für ein Taxi.
»Hier ist das Westtor, Mac«, sagte der Fahrer mit dem größten Gesicht. »Aber Mercedes sehe ich keinen. Wann haben Sie ihn abgestellt?
»Heute früh.«
»Haben Sie das Schild nicht gesehen?« Der Fahrer deutete zum Fenster hinaus. »Hier ist viel Verkehr.«
Er hatte in einer Abschleppzone geparkt.
»Es war finster«, sagte Peter, wie um sich zu entschuldigen. Dann nannte er dem Fahrer seine Adresse in Manhattan.
Das Taxi bog aus der Lexington Avenue nach links in die Einundsiebzigste Straße; Kastler riß erstaunt die Augen auf. Sein Mercedes parkte vor dem Backsteinhaus, direkt vor der Treppe, die zu seinem Apartment führte. Er stand da in unwirklichem Glanz, die dunkelblaue Farbe blitzte in der Sonne. In der ganzen Straße gab es keinen zweiten Wagen wie diesen.
Einen wahnsinnigen Augenblick lang fragte sich Peter, wie der Wagen von der anderen Straßenseite herübergekommen war, wo er ihn am Abend zuvor geparkt hatte. Cathy mußte das gewesen
sein. Sie tat das oft, wegen der Parkvorschriften. Wagen mußten bis acht Uhr entfernt werden.
Cathy ? 0 Gott, was stimmte nur nicht mit ihm?
Er wartete auf dem Rürgersteig, bis das Taxi verschwunden war. Dann ging er auf den Mercedes zu, sah ihn sorgfältig und prüfend an, als inspizierte er einen Gegenstand, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Man hatte ihn gewaschen und poliert und ihn innen ausgesaugt und das Armaturenbrett gesäubert, alle Metallteile blitzten.
Er holte sein Schlüsseletui heraus; der Weg hinauf über die Treppen kam ihm endlos vor. An der Außenseite der Tür hing ein mit Maschine beschriebener Zettel, der an das Holz geheftet war.
Die Dinge sind außer Kontrolle geraten. Es wird nicht wieder passieren. Und Sie werden mich nie wieder sehen.
Longworth
Kastler riß den Zettel von der Tür. Dann sah er sich das Papier sorgfältig an. Die e’s standen etwas höher, das Papier war ziemlich dick und oben abgeschnitten.
Der Zettel war auf seiner Schreibmaschine getippt worden. Das Papier war sein Briefpapier, man hatte seinen Namen entfernt.
»Er heißt Alan Longworth. Josh hat sich über ihn erkundigt.« Peter lehnte sich gegen das Fenster und starrte auf den Mercedes hinunter, der immer noch auf der Straße stand.
Anthony Morgan saß in einem Ledersessel auf der anderen Seite des Zimmers, und seine lange, schlanke Gestalt wirkte ungewöhnlich steif.
»Du siehst ja schlimm aus. Hast du letzte Nacht viel getrunken?«
»Nein. Ich habe nicht gut geschlafen. Und wenn ich dann wieder eingeschlafen war, kamen die Alpträume. Das ist auch noch eine Geschichte...«
»Aber kein Alkohol«, unterbrach Morgan.
»Ich hab’ doch gesagt, daß ich nichts getrunken habe!«
»Und Josh ist in Boston?«
»Ja.
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