Das katholische Abenteuer - eine Provokation
allerdings muss das Team der Atheisten mit düsteren Bündnispartnern rechnen. Mit diesem hier zum Beispiel: »Die zehn Gebote haben ihre Gültigkeit verloren.
Das Gewissen ist eine jüdische Erfindung. Ich befreie die Menschen von den schmutzigen und erniedrigenden Selbstpeinigungen des Gewissens. An die Stelle des Lehrsatzes von dem stellvertretenden Leiden und Sterben eines göttlichen Erlösers tritt das stellvertretende Handeln des neuen Führers, das die Massen der Gläubigen von der Last der freien Entscheidung entbindet.« Das stammt von der atheistischen Spitzenkraft Adolf Hitler.
Nein, ohne Glauben, der auch der Glaube an das Gute ist und daran, dass wir zur Rechenschaft gezogen werden für das Böse, fällt die Gesellschaft auseinander – in einander zerfleischende Wolfsrudel. Natürlich verfügen wir alle über einen tiefsitzenden Instinkt für Gerechtigkeit und das Gute und Wahre, sonst würden wir uns nicht so empören, wenn dagegen verstoßen wird, sei es von einzelnen Interessengruppen wie den Bankern oder von politischen Entscheidungsträgern. Der Wutbürger ist auch einer, dessen Glaube an das Gute enttäuscht wurde. Noch auf seinem Sterbebett bekannte der Kirchenkritiker Voltaire: »Es ist höchste Weisheit, an einen Gott zu glauben, der bestraft und belohnt.«
Noch ein Wort an unsere Propheten der »egoistischen Gene« und andere Wissenschaftsdogmatiker: Glaube und Wissenschaft müssen keine Gegensätze sein, im Gegenteil. Sie ergänzen sich. Ist es nicht interessant, dass die großen Evolutionsbiologen Mendel und Darwin Theologen waren? Darwin hielt am Gottesglauben allerdings nicht aus sittlichen, sondern aus logischen Gründen fest. Er war für ihn eine Sache der Vernunft. Er schrieb: »Ich habe niemals die Existenz Gottes verneint. Ich glaube, dass die Entwicklungstheorie absolut versöhnlich ist mit dem Glauben an Gott. Die Unmöglichkeit des Beweisens und Begreifens, dass das großartige über alle Maßen herrliche Weltall ebenso wie der Mensch zufällig geworden ist, scheint mir das Hauptargument für die Existenz Gottes.«
»Die Naturwissenschaften braucht der Mensch zum Erkennen, den Glauben zum Handeln«, sagte Max Planck, der Begründer
der Quantentheorie. »Für den gläubigen Menschen steht Gott am Anfang, für den Wissenschaftler am Ende aller Überlegungen.«
Das sind doch Traumtore, die gegen das Team der Atheisten verwandelt wurden, durch alle Zeiten hindurch, und zwar ausgerechnet von denen, die sie immer als ihre Sturmkanonen reklamiert haben. Aber wem das noch nicht genügt, muss nur einen Blick auf die Fankurve der Atheisten werfen, die sich den Glaubenstrotteln und Gottessuchern so unendlich überlegen fühlen. Er fällt ernüchternd aus. Denn was tun all die Dschungelcamp-Bewohner mit ihrer stolzen Vernunftsfreiheit, nachdem sie endlich die »Bevormundung der Religion« abgeschüttelt haben, was tun sie so mit dem Rest ihrer Zeit? Erfreuen sich ihrer stolzen Glaubenslosigkeit? Nicht die Bohne. Sie stecken den Daumen in den Mund und staunen über die neuesten Celebritys und Torschützenkönige und Kinoprinzessinnen der Herzen. Jeden Monat liefert uns die Star-Industrie neue Götzen, neue Idole, neue Himmelswesen, die wir anbeten in Gedanken, Worten und Werken, so weit der Illustriertenteppich reicht.
Ja, unsere Tage sind markiert durch ein steigendes Anbetungsbedürfnis, und tatsächlich ist unsere Medienwelt bevölkerter als ein indischer Tempelfries und wimmeliger als der Götterhimmel im ehrwürdigen »Mahabarata«. Wir glauben, wir beten an, wahlweise das Geld, den Erfolg oder Lady Gaga. Offenbar gibt es in der Zeit nach aller Religiosität immer noch ein triviales Glaubensbedürfnis, das gewissermaßen leer weiterarbeitet und ständig für billigen Nachschub sorgt.
Ohne Glauben geht es offenbar nicht, und wenn es der an die Magie von Kristallen ist. Mir persönlich war immer schleierhaft, warum unsere Zeitgenossen so große Probleme damit haben, an die Jungfrauengeburt zu glauben, aber überhaupt keines damit, dass jemand behauptet, durch Geisteskraft Löffel zu verbiegen. Glauben ist eine anthropologische Konstante. Ohne Glauben läuft nichts, schon gar nicht im Alltag.
Gehen wir an die ontologische Wurzel. Zunächst mal glaube ich, dass es mich gibt. Dass es überhaupt ein »Ich« gibt. Es gibt
keine Beweise dafür. Jüngere neurologische Erkenntnisse belehren mich darüber, dass das, was ich »Ich« nenne, nur ein zufälliger neuronaler Zustand ist, eine
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