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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Mönchengladbach. TV-Reporter drehten in den Wochen nach der Veröffentlichung des Sarrazin-Buches dort auf einem Marktplatz. Hier, zwischen properen Klinkerbauten und Fußgängerzonentristesse, hält die Salafistengruppe »Eingang ins Paradies« öffentliche Gebetsstunden ab. Durchsetzt und eingerahmt sind sie durch Vorträge Pierre Vogels, eines konvertierten ehemaligen Boxers, eines Hasspredigers mit kölschem Akzent.
    »Da sarrisch dooch der Merrkkel, führen Se doch mal die Scharia in Neukölln ein bei den kriminellen Jugendlischen. Todesstrafe. Handabhacken bei Diebstahl. Und dann ma abwarten, ma sähn, wat passieren dot.« Höhnisches Zustimmungsgelächter unter den meist jüngeren Anhängern. Kernige Militanz. Die Jungs, spürt man, ziehen sich den Islam über wie eine Bomberjacke. Und sie setzen die Worte des Propheten ein wie einen Baseballknüppel. Hier ist dann jener Gewaltkern spürbar, der Goethe schließlich davon Abstand nehmen ließ, eine große Theaterhuldigung auf Mohammed zu dichten.

    Selbstverständlich erinnert Vogels Truppe an Aufmärsche von Neonazis. Die Worte des Propheten dienen hier als orientalisch duftende Lizenz, loszuschlagen. Wie herrlich, das im höherem Auftrag zu tun. Die Gebetsstunde in Mönchengladbach, unter den irritierten oder furchtsamen Blicken der Anrainer, ist eine Verkaufsmesse radikaler Erlösungsrhetorik. Die Scharia im Sonderangebot.
    Unsere wackeren Reporter werden behindert, besonders von einem jungen Mann, der eine mit Zetteln gespickte Bibel hält. Er schwenkt die Schrift. Er fordert den Reporter heraus. »Isch schwör dir, du kennz deine eigne Bibel nit.« Er dagegen habe sie studiert. »Isch gib dir hundert Euro, ach wat, hier sind tausend Euro«, er zieht tatsächlich einen Packen Geldscheine aus der Jeans, »dat du nich die zehn Jebote auswendisch kannz.« Religion als Hütchenspieler-Wette.
    Mann, möchte man dem Reporter zurufen, tausend Dinger, greif zu, greif an!
    Der Reporter lässt sich nicht darauf ein. Und dann sieht man: Er könnte es gar nicht. Er hat von seiner Religion tatsächlich wenig Ahnung. Hätte er denn nicht wenigstens zwei oder drei der Gebote nennen können, die es ins Bürgerliche Gesetzbuch geschafft haben? Du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, nicht meineidig werden? Bei »Du sollst nicht ehebrechen« hätte er sicher anerkennendes Schulterklopfen vom islamischen Fundi geerntet, allerdings hätte er dann noch mal gesondert über das Steinigen von Frauen im Wandel der Zeiten diskutieren müssen.
    Dass es unserem Reporter ganz und gar unverständlich werden muss bei dem Gebot »Du sollst keine Götter neben mir haben«, liegt auf der Hand. Da schiebt sich dann doch lärmend und blinkend die westliche Star-Industrie dazwischen, die Celebrity-Kultur unserer unglücklich aufgeklärten Moderne, die so besessen ist von ständig neuen Göttern, die alle gelten wollen und um Aufmerksamkeit buhlen und ebenfalls niemanden neben sich gelten lassen wollen.

    Aber sonst? Der religiöse Fundus scheint leergeräumt. Vielleicht hätte aus einer verblassten Erinnerung an einen Kinderkatechismnus jener magische Satz aufsteigen können, mit dem unser aufgeklärter Reporter einen eleganten Sieg über den finsteren Fundi gelandet hätte. Es ist ein verblüffend einfacher Satz, der die Jahrhunderte überdauerte, dunkle Zeiten, kriegerische Zeiten, böse Zeiten, und der unverdrossen doch immer wieder nach oben ins Helle geweht wurde, nämlich der siegreiche und strahlende Satz: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.« Der Grundsatz eines idealen Menschen. Er wäre auch ein Sieg über die zornigen Anteile in uns selber.
    Das Liebesgebot
    Ein unmöglicher Satz. Ein so schwerer Satz, auch für mich, wie man meinen Auslassungen oben entnehmen kann. Das haben wir in unseren schwärmerischen weltbeglückenden Hippiezeiten eigentlich nur geschafft, wenn wir das richtige Zeug gekifft hatten. Nächstenliebe und Gewaltfreiheit, hm, Jesus als Vorläufer Ghandis. Ist das nicht unser in allen Leitartikeln beschworener Schönheitsvorteil?
    Aber was ist mit jenen dunkleren Seelenanteilen, mit Wut, mit heiliger Empörung, mit all den Gefühlen, die in den Fluch- und Rachepsalmen des Alten Testaments enthalten sind? Jesus war Jude. Er hat sie doch gekannt! Sagt er nicht selber »Ich bin nicht gekommen den Frieden zu bringen, sondern das Schwert«?
    Da ist dieser ungeheure Psalm 139, der mit dem innigen Geständnis beginnt »Gott, du erforschest mich und kennst

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