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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Zeremoniell bestimmte auch die Choreografie der darauffolgenden Tage, und vier Millionen machten sich auf den Weg nach Rom, um dem Papst das letzte Geleit zu geben. CNN und andere Fernsehanstalten berichteten rund um die Uhr, und es gab tatsächlich eine Menge zu besehen und zu bestaunen. Da waren die Aufbahrung und die gregorianischen Gesänge, die Bilder aus der Basilika und dann jene von der eindrucksvollen Totenmesse davor.
    Eines bleibt haften: Da steht der schlichte Sarg vor den Trauergästen und Würdenträgern aus aller Welt, und darauf liegt die große Bibel, und der Wind blättert sachte ihre Seiten um.

Der lächelnde Unbeugsame
    Sind wir noch Papst? Das Benedetto-Fieber und die launischen Deutschen – über die Achterbahnfahrt des Papstes in der öffentlichen Anerkennung
    Der Liebessturm
    Selten in der Geschichte ist ein Kirchen-Fürst von den Deutschen enthusiastischer gefeiert worden und tiefer gefallen. Die Erhöhung des Kardinals Ratzinger begann, wie bei seinen Vorgängern, mit weißem Rauch und Glockenklang und einem Purpurvorhang, der schließlich beiseite geschlagen wurde. Sie begann am 24. April 2005 mit einem großen Hosianna. Nun, sechs Jahre später, sind wir angelangt beim »Kreuziget ihn!«.
    Die Welt hatte den Atem angehalten, als die Kardinäle der katholischen Kirche den neuen Stellvertreter Christi auf Erden kürten. Diese Papstwahl war mit 26 Stunden Beratung eine der kürzesten der Geschichte. Offensichtlich war der Gewählte einer, auf den sich die Kardinäle aus aller Welt schnell einigen konnten: Joseph Ratzinger. Ein Deutscher. Ein Polizistensohn aus Bayern.
    Ich war Korrespondent in London und erlebte, wie sehr diese Wahl draußen ein Politikum war. Während die Bild -Zeitung mit ihrer mittlerweile legendären Zeile »Wir sind Papst« feierte, kamen die britischen Groschenblätter mit dem »Panzerkardinal« und ausgiebigen Erläuterungen über die Mitgliedschaft des Pennälers Ratzinger in der Hitlerjugend. Und in den deutschen Talkrunden saßen die üblichen Verdächtigen – Küng und Drewermann und Geißler – und wiegten skeptisch die Häupter. Hatte der Mann nicht, als Chef der Glaubenskongregation, also der Nachfolge-Administration der heiligen Inquisition, mit
der Befreiungstheologie aufgeräumt und das dogmatische Tafelsilber der katholischen Kirche poliert?
    Die Vertreter der Weltkirche hatten keinen Moment gezögert und sich mit Aplomb über die Warnungen der argwöhnischen Deutschen hinweggesetzt. Der neue Papst präsentierte sich mit einem lachenden Gesicht über dem Petersplatz, inmitten der prachtvollen Kulisse, in der in den Wochen zuvor mit dem ergreifenden Sterbe-Schauspiel von Papst Johannes Paul II. ein wahrhaftes katholisches Erweckungsfieber eingeleitet worden war.
    Johannes Paul II. hatte mit seinen Weltjugendtagen, seinen Reisen, seiner Medienpräsenz die Weltkirche ausgedehnt. Nun folgte ihm einer nach, der gelernt hatte, zu sorgen, zu bewahren, zu befestigen. Ratzinger, oben an der Balustrade über dem päpstlichen Wappen, sprach von einem »ungeheuren Auftrag«. Er sagte nicht, dass er allwissend und unfehlbar sei, sondern das bescheidene Gegenteil. Er sagte: Ich bin ein einfacher Arbeiter im Weinberg Gottes. Er sagte: Mich tröstet der Gedanke, dass der Herr mit unfertigen Werkzeugen zu arbeiten versteht. Doch als er rief »Die Kirche lebt, die Kirche ist jung«, war die Menge außer sich.
    Bereits als Chef der Glaubenskongregation galt Joseph Ratzinger als prinzipienfest und war schon damit ein Anstoß für viele, die Prinzipienfestigkeit als unmodernes Ärgernis sahen und ihn deshalb »Gottes Rottweiler« nannten. Tatsächlich hat sich der Heilige Geist da eine delikate Pointe geleistet, den Papst ausgerechnet bei denen zu rekrutieren, die ihn am nötigsten haben: bei den Deutschen, den Reformkatholiken, den Protestreligiösen, die bereits gegen Johannes Paul II. aktiv geworden waren, 1989 in einer Brandschrift mit dem Titel »Wider die Entmündigung – für eine offene Katholizität«. Damals war die Ernennung des Kölner Kardinals Meisner Anlass, gegen den »autoritärten Führungsstil« des Papstes zu protestieren.
    Die Deutschen und Rom – nicht von ungefähr begann das Drama der Moderne und der Kirchenspaltung in deutschen
Landen, und es sind die Deutschen, die heute die Profanisierung mit am weitesten getrieben haben.
    In seiner Predigt zu Beginn des Konklaves hatte Joseph Ratzinger gegen den Relativismus der Moderne Stellung genommen. Es war

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