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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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der Sache war. Szenen von der Dorfstraße: »Näher kommt man ihm kaum«, sagte ein bebrillter Verwaltungsangestellter und ließ sich nieder neben einer Frau, die schon seit sechs Stunden hier saß, am Ortsausgang von Marktl am Inn. Von hier aus würde Benedikt XVI. den letzten Blick werfen, zurück auf seinen Geburtsort, und diesen Blick würde man gerne einfangen mit dieser prima IA-Canon-Digitalkamera.

    Vorne am Marktplatz würde der Papst das Bad in der Menge nehmen, und dahinten kommt dann nur noch das Umsteigen in den Helikopter, doch hier, genau hier, wird er ein letztes Mal winken durch die Scheiben des Papamobils.
    Mit all den geweißten Spritzbetonfassaden sah das hier aus wie jedes andere Straßendorf, wie in Chlodwig Poths Strip »Last Exit Sossenheim«. In den Fenstern hingen Weihnachtsdeckchen aus Plastik. Drüber das Schild »Fahrunterricht für Krafträder«. Wehmütig wird man hier nicht, dachte ich mir. Hier gibt man Gas. Hier ist weder Land noch Stadt, und der bayerische Katholizismus ist weder fromm noch kritisch in dieser gesichtslosen Zwischendrin-Region, die nun überquillt von denen, die das
Papstspektakel anzieht, einerseits, die aber andererseits kaum noch in die Kirche gehen.
    »Man war halt als Kind dabei«, sagt die Frau aus dem Lackierer-Betrieb. »Jetzt hat man weniger Zeit.« Sicher, im Prinzip handelt es sich ja nur um eine Stunde, sonntags. »Na ja, ab und zu gehen wir ja.« Es ist gar nicht mal so, dass sie Kritik hätte. Sie müsste sich jetzt regelrecht anstrengen, um sich daran zu erinnern, was heutzutage als Kirchgangsverweigerungsgründe akzeptiert wird. Es ist die ganz alltägliche Glaubensdämmerung, also wie war das noch mal mit den Kondomen?
    Der Zahnarzt hat seine Praxis genau auf dem Schnittpunkt der Kreuzung, die der Papst passieren wird. Vom ersten Stock aus übersieht er alles. Seine Frau lehnt mit einem Sektkelch im Fenster, absoluter Logenplatz, und daneben steht der Zahnarzt selber. In Gold! Goldenes Gesicht, goldener Anzug. Das alles ist eine vergoldete Pappmaschee-Replika des Zahnarztes, die ihm von den Helferinnen zum Geburtstag geschenkt worden ist. Anschließend sind sie herumgetanzt um ihren goldenen Zahnarzt. Der echte Zahnarzt lächelt und wartet auf den Papst, der unter ihm vorbeifahren wird.
    Katholik? Aber sicher sei er Katholik, hier sind alle katholisch. Kirche? Eher weniger. Und der Papst? »Na, vielleicht bekehrt er mich ja wieder.« Verschmitzte Pause. »Mal abwarten.« Das sind die Kräfteverhältnisse heutzutage: Da muss schon der Papst persönlich vorbeikommen, um den Zahnarzt zurück in die Kirche zu bewegen. Und auch das ist längst nicht sicher. Wer weiß, wie er wirkt auf den Zahnarzt, wenn er vorbeifährt. »Mal sehen, was passiert.«
    Sie können sehr anspruchsvoll sein, die deutschen Katholiken. Erst mal soll der Papst die Welt retten, drunter tun sie’s nicht. Da ist der rechtschaffene pensionierte Stukkateur Franz, unten an der Absperrung: »Die Globalisierung sollte er stoppen«, sagt er. Da allerdings ist der Papst genau der Falsche, denn er ist schon von Amts wegen Globalisierer. Er ist Chef der größten Organisation des Erdballs, über eine Milliarde Katholiken
insgesamt, Schwerpunkt Afrika, da sind die anspruchsvollen Deutschen eine durchaus zu vernachlässigende Größe.
    Durch diese aus afrikanischer Sicht kirchenferne, heidnische Horde, die zwar spendet, aber wenig vom lieben Gott spricht, quält sich am Absperrgitter an diesem Tag Bernd aus Chemnitz mit einer mächtigen Plastiktasche voller Benedetto-T-Shirts und weißgelben Vatikan-Auto-Wimpeln. Die Wimpel seien absolut brauchbar für Leute, die es sehr eilig haben, zur Messe zu kommen – »die halten bis zu 80 Stundenkilometer aus«.
    Und dann kommt der Papst tatsächlich. Arme werden in die Höhe gerissen, Frauen schreien, ein Kind ruft in seliger Begeisterung hinüber zur weißen Gestalt, die da im Papamobil vorbeischwebt: »Der kann ja fliegen«, der Papst winkt, und dann hat er auch schon den Globalisierungsgegner und den Zahnarzt und die Frau mit dem Lackierbetrieb hinter sich gelassen. Und einer stiert auf sein Handy und ruft entgeistert: »Da ist ja gar nichts drauf.«
    So kann das gehen. Da kann man ihm, dem Nachfolger Petri, so nahe sein, und trotzdem alles verfehlen.
    Der kontroverse Professorenpapst
    Einige Tage später hielt er in Regensburg den mittlerweile berüchtigten Vortrag über Glaube und Vernunft und forderte darin die islamische Welt zur Toleranz auf

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