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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Umwertung der Werte, die die moderne Welt vorgenommen habe. Er tat es mit einer düsteren Umformung der Bergpredigt: »Selig sind die Stolzen und die Gewalttätigen, die sich um jeden Preis bereichern, selig die Skrupellosen, Mittellosen und Hinterhältigen, die Krieg und nicht Frieden machen und diejenigen verfolgen, die ihnen im Weg stehen. Ja, sagt die Stimme des Bösen, sie sind die Gewinner. Glücklich sind sie!«
    So spricht einer, der verloren hat. Oder?
    Wahrscheinlich ist es so, dass dieser Papst immer gerade in seinen Niederlagen triumphierte. Er konnte den Irak-Krieg nicht verhindern, doch sein Widerstand dagegen brachte ihm Bewunderung und Liebe ein. Er stand da einmal mehr auf der Seite der Jugend, der struppigen Demonstranten im Central Park, der Aktivisten in London, Paris, Berlin. Es konnte kaum etwas Beeindruckenderes geben als diese Friedensgebete des Papstes in seinem Rollstuhl, zur Seite gekippt wie ein gefällter Baum. Dass sie alle zu ihm pilgerten, die modernen Kreuzzügler um Bush und Blair und Aznar, und vergebens um seine Zustimmung buhlten, zeigt, wie wichtig in dieser säkularisierten Welt das Papstamt doch ist und wie sehr es Politik machen kann.
    Popularisierungen und Polarisierungen haben Karol Wojtylas Papsttum geprägt. »Die Ironie, die häufig nicht verstanden wird,
ist die, dass liberalisierte Kirchen ihre Mitglieder absolut nicht halten können. Es ist dagegen eine soziologische Tatsache, dass Menschen auf Doktrinen ansprechen.« Vielleicht also wird sich eines Tages herausstellen, dass Papst Johannes Paul II. gerade dort, wo er am fragwürdigsten war und sich die meisten Feinde machte, am glänzendsten gewonnen hatte. Eines ist sicher: Dieser polnische Junge, der zum Oberhaupt über mehr als eine Milliarde Katholiken wurde und der dieser veräußerlichten Welt einen Superstar der Innerlichkeit entgegensetzte, hat seinen Weg beeindruckend schwindelfrei zurückgelegt.
    Doch es war sein Sterben, das die Weltöffentlichkeit schließlich in den Bann schlug. Normalerweise zieht unsere auf Jugendlichkeit getrimmte Medienöffentlichkeit die Alten und die Sterbenden aus dem Verkehr. Diesmal aber zeigte sie einen Pontifex, der um jedes Wort rang und der aus seinem Leiden ein spirituelles Erlebnis machte. Früher, sagte er einmal, habe er gedacht, er müsse sein Anliegen durch Predigten und Aufrufe vermitteln. Nun wisse er, er müsse es durch Schmerzen tun. So dachte jeder an die Endlichkeit. Und jeder an diejenigen, die gestorben waren in Familie oder Freundeskreis. Mein Vater fiel mir ein, wie er gegen Ende immer milder, immer wirrer, immer freundlicher wurde. Und unerschütterlich war in seiner Frömmigkeit.
    Während Johannes Paul II. in jenem März 2005 schwächer und schwächer wurde, füllte sich der Petersplatz mit Jugendlichen aus aller Welt. Sie kamen mit Schlafsäcken, mit Decken, mit Proviant, mit Rosenkränzen, sie hielten Wache für ihren Papst, der sie so oft zusammengerufen hatte. Dies war sein letzter Ruf, und dem folgten alle. Es war still auf dem Platz. Vereinzelte Gebete, vereinzelte Gesänge, den Blick hinaufgewandt zu jenen gelben Fernsterrechtecken der päpstlichen Gemächer.
    Die Passionswoche lag hinter ihnen, mit einer letzten Botschaft des Papstes: »Sei gegrüßt, oh Kreuz, einzige Hoffnung, schenke uns Geduld und Mut und erhalte der Welt den Frieden. « Sie hatten die Osternacht und die Auferstehung gefeiert,
und der Papst war hinfälliger geworden. Ostersonntag und Ostermontag zeigte er sich, aber er blieb stumm. In den nächsten Tagen verschlechterte sich sein Zustand. Am Freitag nach Ostern mühten sich Ärzte um ihn in seinen Privatgemächern, einen Aufenthalt in der Klinik hatte er abgelehnt. Am Samstag schließlich trat Erzbischof Leonardo Sandri vor die Mikrofone und sagte: »Um 21.37 Uhr ist unser Heiliger Vater in das Haus des Herrn zurückgekehrt.« Seinen Jugendlichen auf dem Platz, den Christen, den Anteilnehmenden in aller Welt hatte er noch, zitternd, eine letzte Botschaft aufgeschrieben: »Seid froh, ich bin es auch.«
    Nach seinem Tod ertönten Sirenen in Polen, die Menschen fielen auf die Knie, um zu beten, Staatschefs kondolierten, George Bush schrieb: »Die katholische Kirche hat ihren Hirten verloren. Sie hat einen Champion der menschlichen Freiheit verloren.«
    Einem uralten Brauch gemäß trat der Kämmerer an den Toten heran, rief dreimal seinen Namen »Karol«, zog sodann den Fischerring von seinem Finger und zertrümmerte ihn. Uraltes

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