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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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Mindesten.
    Bisweilen konnte Johannes Pauls II. Rigorosität durchaus beklemmend wirken und so grimmig wie die eines katholischen Ajatollahs. Dabei hat er sich lediglich vehement gegen liturgische Aufweichungen gestellt. Gegen die Mitbestimmung im Altarraum, gegen Priesterinnen und Laienbeteiligungen in Kernbereichen. Doch von Beginn seines Pontifikats an war es in unseren modernen Zeiten gerade diese Unbeirrtheit und Antimodernität, mit der er die Welt erobert hat. Sein Katholizismus war immer randscharf.
    Sein Papsttum war wohl das erste wahrhaft globale. Es fiel in die Zeit der Siegeszüge von CNN und World Wide Web. Seit seiner Weihe 1978 reiste Karol Wojtyla öfter und ausdauernder als jeder andere Papst vor ihm, und die Medien berichteten darüber, live und nonstop. Insgesamt bereiste er 129 Länder, besuchte Gläubige in 617 Städten und legte dabei mehr als 1,16 Millionen Kilometer zurück. Rund sechs Prozent seiner Amtszeit hat der Papst außerhalb Italiens verbracht. Er war überall vor Ort, er war der Weltbischof.
    Die Öffentlichkeit war von Beginn an sein mächtigster Verbündeter. Mit seinen Wallfahrten, seinen Messen, den in Bewegung gesetzten Massen hat der polnische Papst die eisgrauen Bürokraten des Sozialismus in seinem Heimatland in die Knie gezwungen. Bis zuletzt war er auf der öffentlichen Bühne von instinkthafter Sicherheit. Seine Autorität war stets unantastbar, und so leistete er es sich, die Schleier, die bis dahin über dem Privatleben eines Papstes lagen, ein wenig zu lüften. Er ließ sich fotografieren beim Skifahren in den Dolomiten, er schwamm, er saß vor Computern, die er bereits in den 80er Jahren für den Vatikan hatte anschaffen lassen. Und am Ende war es die Gebrechlichkeit, die er
zeigte – ecce homo. Er machte das Sterben, das letzte große Tabu, öffentlich.
    Stets ein Zeitgenosse. Auf den Bühnen wurden seine Stücke gespielt, seine Gedichte stürmten die Bestseller-Listen, seine Website brach zum Amtsgeburtstag unter dem Ansturm der Gratulanten zeitweilig zusammen. Die Medien liebten ihn nicht von ungefähr, denn sein Papsttum war voller Dramatik, bis zuletzt. Er hat den Kommunismus besiegt und ein Attentat überlebt, und man kann durchaus verstehen, dass nicht nur er selbst das alles als Wunder und göttliche Vorsehung erlebte. In dem Gesprächsband Erinnerung und Identität beschrieb der Papst zum ersten Mal in Ausführlichkeit die Minuten und Stunden des Attentats 1981 auf dem Petersplatz, beschrieb das Gefühl der Nähe des Todes. Später besuchte er seinen Attentäter, den Türken Ali Agca. Das Foto dieses Seelsorgegesprächs, dieses schlichten Beieinandersitzens von Täter und Opfer – oder: wie das Prinzip Liebe siegt über das Prinzip Hass –, ist eines der bekanntesten des vergangenen Jahrhunderts.
    Die Medien liebten diesen Papst stets so sehr, dass sie seine Radikalität in sozialen Fragen oft unbegriffen ließen. Tatsächlich hat Papst Johannes Paul II. wie kaum je einer seiner Vorgänger in den Sozial-Enzykliken gegen die Reichen und Mächtigen Stellung genommen. Sein Kampf gegen die Sirenengesänge des Marktes war grimmiger, als es der gegen den Kommunismus je war. Auch da übrigens wurde er eher von der Jugend verstanden, als fast subversiver Verbündeter, denn die führt ja in aller Konsumbesessenheit stets die Rhetorik der Konsumverweigerung mit.
    Der Papst also, der lateinamerikanische Befreiungstheologen wie Leonardo Boff zurück ins Glied gerufen oder ausgeschlossen hat, hat nichtsdestotrotz erstaunlich vieles von ihnen übernommen. Schon 1987, in seiner Enzyklika Sollicitudo rei socialis (Über die soziale Sorge der Kirche), geißelte er den blinden Konsumismus und die Wagenburgmentalität der wohlhabenden Ersten Welt, und er verlangte Umverteilungen des Reichtums
und »ernsthafte Korrekturen des Kapitalismus«, und das schon vor Mauerfall und Zusammenbruch der kommunistischen Nomenklaturen.
    Sicher, Karol Wojtyla glaubte nicht an die Segnungen des bewaffneten Kampfes für Gerechtigkeit auf Erden – aber Auseinandersetzungen hat er nie gescheut. Damals, im ersten Jahrzehnt seines Papsttums, schien er sie noch für gewinnbar zu halten. Knapp fünfzehn Jahre später empfand er nur noch Bitterkeit. Auf dem Berg der Seligpreisungen am Ufer des Sees Genezareth, vor rund hunderttausend Jugendlichen und damit der größten Versammlung von Christen, die sich je im Heiligen Land zusammengefunden hatte, geißelte der Papst im heiligen Jahr 2000 die

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