Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
dass sie damit nicht das Entschuldigungsschreiben meinte.
Elaine hatte keine Ahnung von all dem. Was ihre Tochter jetzt trieb, mit wem sie es trieb – sie wusste es nicht. Sie wollte es auch gar nicht mehr wissen. Channi hatte nicht nur die Beziehung zwischen Leo und Elaine zerstört, nein, sie hatte Elaine auch den letzten Glauben an die Männer genommen. In Leo glaubte Elaine einen wirklichen Partner gefunden zu haben, dabei war das unglaublich töricht und naiv gewesen. Was wusste sie schon von ihm? Sie hatte lediglich all ihre Wünsche in ihn hinein projiziert und war dem uralten Irrglauben aufgesessen, dass Begehren gleichzusetzen sei mit Liebe. Nach der gescheiterten Ehe mit Mats und den geplatzten Träumen danach war sich Elaine sicherer denn je, dass sie nie wieder einen Mann in ihr Herz lassen würde.
Seltsamerweise fanden Mats und Elaine gerade in dieser merkwürdigen Zeit wieder zusammen. Nicht als Paar, aber als so etwas Ähnliches wie Freunde. Nachdem ihre Tochter aus der Bewusstlosigkeit aufgewacht war und die erste Aufregung sich gelegt hatte, trafen die geschiedenen Eheleute in dem ungemütlichen Krankenhausrestaurant den Entschluss, besser aufzupassen. Chantalle war ihnen entglitten; selbst Mats sah ein, dass er mit seiner lässigen Art auf Channis überhebliches und geradezu nymphomanes Verhalten nur noch einen oben drauf gesetzt hatte. Väter sollten sich eigentlich anders verhalten. So gut hatten sich die beiden seit Jahren nicht unterhalten. Vermutlich war es die Sorge um das eigene Kind.
„Ich werde feste Regeln aufstellen“, sagte Mats und stocherte lustlos in dem faden Kantinenessen herum.
„Hoffentlich spielt sie mit“, seufzte Elaine, „Channi führt sich doch schon lange auf, als gelten für sie überhaupt keine Spielregeln oder Gesetze.“
„Noch ist sie nicht volljährig und sie lebt von unserem Geld …“
„Wohl eher von deinem.“
Ein peinliches Schweigen entstand. Jetzt oder nie, dachte Elaine.
„Leo hat angedeutet, dass er das Haus vor der Zwangsversteigerung retten will oder schon gerettet hat, was weiß ich. Hast du was von der Bank gehört?“
„Dieser Typ? Spinnst du? Wieso das denn?“ Mats Augen funkelten und er schien aufgebracht.
„Na ja, ich weiß nun auch nicht, ob das noch gilt. Jetzt die Sache mit Channi … er hat auch noch gar nicht wieder gefragt, wie es ihr geht.“
„Elaine, es geht mich zwar überhaupt nichts an, aber dieser Typ ist ja wohl auch nicht besser als ich, oder? Wenn der Mutter und Tochter, ähm, bezirzt, dann ist sein Geldversprechen vermutlich genauso viel wert wie sein Treueschwur, richtig?“
Elaine wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Vermutlich war jetzt alles aus. Aber immerhin lebte ihre Tochter und war bei vollem Bewusstsein – zwar fies wie eh und je, aber immerhin nicht durch die Hand der Mutter für immer verloren.
„Haben wir sie für immer verloren, Mats?“
„Hä? Quatsch. Wir retten das Haus und das Kind, fertig. Pass auf, ich fahr direkt zur Bank und regel das. Und du kriegst dann, wenn Channi wieder fit ist, bitte mal wieder den Arsch hoch, gehst arbeiten und zahlst mir dann eben Miete. Was meinst du? Wir sind doch keine Doofen, wir werden das schon packen. Vielleicht will Channi ja auch zu dir ziehen und braucht die Konstante in der Veilchengasse. Das Haus bleibt, basta.“
Dankbar lächelte Elaine ihren Ex an. Doch als er verschwunden war und sie zurück zu ihrer Tochter ans Krankenbett ging, zweifelte sie bereits wieder an Mats‘ Worten. Vielleicht würden sie das Haus retten können, aber Channis Seele?
„Verschwinde einfach“, flüsterte Chantalle erschöpft, aber bestimmt.
Nachdem Mats Channi einige Tage später aus der Klinik abgeholt hatte, wurde auch Mats klar, dass er sich etwas vorgemacht hatte. Es war zu spät – Chantalle machte, was sie wollte und ließ sich mit albernen „So lange du die Füße unter meinen Tisch legst“-Aussagen höchstens zu einem amüsierten Lächeln hinreißen.
„Ihr habt mir gar nichts zu sagen, weder du noch meine Erzeugerin. Ich ziehe natürlich nicht zu Elaine …“
„Für dich bitte immer noch Mama!“, polterte Mats hilflos, obwohl er genau wusste, dass er damit alles nur noch schlimmer machte.
„Pff“, zischte Chantalle spöttisch und fuhr dann fort, „bitte überweis mir mein Geld inklusive Kindergeld einfach. In spätestens zwei Tagen seid ihr mich los. Und Elaine – Mama – kann froh sein, wenn sie keine Anzeige wegen versuchten Mordes
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