Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
am Hals hat!“
„Du spinnst ja, Channi, das war ein Unfall, das weißt du genauso gut wie ich! Du setzt dich jetzt hier hin und hörst mir zu!“
Channi setzte sich nicht hin und sie hörte auch nicht zu. Sie machte vielmehr ihr Versprechen wahr, hängte sich dem nächstbesten Mann an den Hals und war nach wenigen Tagen mit Sack und Pack verschwunden. Ratlos blieb Mats zurück und rettete zumindest seine Ex vor dem totalen Absturz. Schade um das Geld, aber insgeheim spielte er mit dem Gedanken, eines Tages zurück in die Veilchengasse zu ziehen. Was hatten er und Elaine denn noch zu verlieren, ging es ihm durch den Kopf. Sobald Mats die Nase voll hatte von Freiheit und Weibergeschichten, würde er vielleicht wieder zu Elaine ziehen. Im Alter wäre es bestimmt netter zu zweit als allein und so wusste er wenigstens, was ihn erwartete: Das absolute Nichts in einem schönen, ruhigen Haus in der Veilchengasse.
***
In der Stille der Nacht starrte Lisa Suhrhoff an die Decke. Vorm Fenster tanzten Schneeflocken in der Dunkelheit und es war Lisa, als hüllte der Schnee ihr Haus in einen sicheren Kokon. Wenn jetzt die Zeit stehen bliebe, wäre alles perfekt. Die Kinder schliefen in ihren Zimmern, ihr Mann war bei ihr und alles war so, wie es sein sollte. Dass Ingmar kaum sprach, seitdem er wieder da war, verunsicherte Lisa zwar, aber es war nicht das Schlechteste. Er hatte bestimmt sehr schlimme Dinge im Gefängnis erlebt und sie selbst wusste aus eigener schmerzvoller Erfahrung, dass man solche Sachen am besten ganz tief in sich verschloss. All die Gespräche mit ihrem Therapeuten hatten überhaupt nichts gebracht und auch ihre Nachbarinnen konnten ihr nicht helfen.
In guten wie in schlechten Zeiten, so hieß es doch. Die schlechten Zeiten hatte ihre Familie nun hinter sich. Lisa wollte alles dafür tun, dass es nun nur noch bergauf ging und den ersten Schritt hatte sie getan. Die Basis ihrer Beziehung, der Sex, war nicht beschädigt worden und obwohl die Geschehnisse im Kellerzimmer noch irgendwo im hintersten Winkel ihres Kopfes schwer auf ihr lasteten, so besann Lisa sich doch auf ihre Qualität als perfekte Geliebte. Sie hatte Ingmar genauso verführt wie früher, war Heilige und Hure in einem gewesen und genoss seine Blicke und Berührungen. Wie lange hatte sie sich danach gesehnt! Als sie nach Stunden der Leidenschaft fertig waren, hatte er sich wortlos umgedreht und war eingeschlafen. Sie lag wach, aber das machte nichts. Jetzt würde alles wieder gut werden, ganz bestimmt!
Gegen sechs Uhr stand sie auf und bereitete das Frühstück vor. Hoffentlich würde Julia sich weiterhin zusammenreißen und ihre provokanten Sprüche lassen. Bis jetzt hatten Lisas Ermahnungen gewirkt, aber ob das noch lange gut gehen würde, wusste sie auch nicht. Julia hatte jetzt einen Freund namens Damian. Lisa kannte ihn nicht, aber sie hatte im Zimmer ihrer Tochter herumgeschnüffelt und eindeutige Hinweise gefunden. Außerdem merkte man Julia ohnehin die Veränderung an. Nur Ingmar, der durfte davon auf keinen Fall etwas mitkriegen – er würde komplett ausrasten!
Obwohl andere es kaum für möglich hielten, hatte Lisa in den vergangenen Monaten noch weiter abgenommen. Es gab kein Kleidungsstück mehr, das sie nicht tragen konnte. Alles an ihr sah aus wie bei einem Topmodel. Lisa stellte sich manchmal vor, sie sei Victoria Beckham und Ingmar ein weltberühmter Star; das war einer ihrer Lieblingsträume. Sie passte wieder in eine dunkelblaue Lederhose, die sie zu Beginn ihrer Ehe von ihrem Mann geschenkt bekommen hatte. Dieses hautenge Stück trug sie nun zusammen mit einem schlichten roten Langarmshirt. Wie eine frisch Verliebte freute sie sich auf den Moment, in dem auch Ingmar bemerken würde, dass sie weder Slip noch BH trug. Außer den hohen Pantoffeln hatte sie sonst absolut gar nichts am Leib und sie genoss das Gefühl des kalten Leders auf ihrer Haut. Sobald die Kinder aus dem Haus wären, würde er sie vielleicht in der Küche nehmen – genau wie früher. Nur noch wenige Tage blieben ihnen für diese ungebremste Leidenschaft, denn die Weihnachtsferien standen vor der Tür.
Als der Tisch gedeckt war, weckte sie Sebastian und Julia. Vor der eigenen Schlafzimmertür machte sie unsicher Halt. Ob sie Ingmar ebenfalls wecken sollte? Seinen Job war er los, denn die Arschlöcher im Autohaus hatten ihm die fristlose Kündigung direkt nach seiner Verhaftung in den Knast geschickt. Gestern hatte Ingmar gesagt, dass es für ihn kein
Weitere Kostenlose Bücher