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Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe

Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe

Titel: Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Marie Milton
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aneinander gedrängt direkt neben dem Bürgersteig. Ingmar bog in eine Seitengasse ein und drückte dann gegen eine alte grüne Holztür. Sie war nicht verschlossen. Der Verfolger hatte Ingmar hoffentlich nicht um die Ecke biegen sehen.
    Angestrengt lauschte Ingmar in das Haus, aber man hörte nur die Autos von draußen. Er stand offenbar in einer Art Waschraum, von dem es dann wohl in die eigentliche Wohnung abgehen würde. Wenn man ihn jetzt hier entdeckte, hätte er die Bullen wegen Einbruchs doppelt am Hals. Am besten, er versteckte sich hier einige Stunden, bis die Aufregung auf der Straße sich gelegt hatte und vor allem dieser Typ verschwunden war. Der Raum maß vielleicht acht Quadratmeter und war vollgestellt mit Fahrrädern, Waschmaschine, Trockner und einigen Regalen. So leise wie möglich quetschte Ingmar sich zwischen Weinkartons und Wäschekörbe und machte es sich einigermaßen gemütlich. Noch immer waren keine verdächtigen Geräusche zu hören, weder im Haus noch vor der Tür. Keine Bullen, keine Schritte, nichts. Er konnte nur hoffen, dass es keinen riesigen Aufriss geben würde und womöglich eine Phantomzeichnung erstellt wurde. Eigentlich war das unwahrscheinlich. Ein Besoffener in einer Kneipe, der ein bisschen rumpöbelte. Nein, die würden ihn nicht finden. Zukünftig musste er sich allerdings mehr unter Kontrolle haben. Dieser scheiß Alkohol und all die Schlampen waren schuld daran; da tickten Kerle wie er schon mal aus.
    Zwei Stunden hielt Ingmar es in seinem Versteck aus, dann stand er auf und pinkelte in eine Ecke. Er widerstand der Versuchung irgendwo rein zu pissen, in einen Schuh zum Beispiel oder ins Waschpulver. Denn damit hätte man ihn dingfest machen können. Also zielte er diskret hinter undefinierbaren Schrott. Als er vorsichtig aus der Tür lugte, sah er absolut nichts Verdächtiges. Er musste so unauffällig wie möglich nach Hause kommen. Mit gesenktem Kopf und großen Schritten schlug er den kürzesten Weg ein, der ihm in den Sinn kam. Der Marsch kam ihm wie der längste Spaziergang seines Lebens vor. Selbst im Knast kam er sich nicht beobachteter vor als nun. Alle paar Meter versteckte er sich hinter Mauervorsprüngen oder Bäumen, um sich dann kurz zu sammeln und weiterzugehen – fast wie ein Eichhörnchen mit seinen ruckartigen Bewegungen.
    Mitten in der Nacht kam er endlich in der Veilchengasse an und huschte in sein Haus. Hoffentlich machte die Alte jetzt kein Theater, dann musste er schon wieder zulangen – verdient hätte sie es, aber Ingmar war so müde, dass ihm beinahe die Augen zufielen. Lisa kam aus dem Wohnzimmer geschossen. Das fehlte ihm jetzt gerade noch. Unwirsch sagte Ingmar:
    „Wieso schläfst du denn noch nicht?“
    „Ich wollte einfach auf dich warten. Geht’s dir gut? Du siehst so müde aus, du Armer. Oh Gott, du blutest ja!“
    Erschrocken hielt Lisa ihre Hand vor den Mund und starrte auf den Mini-Kratzer an Ingmars Stirn.
    „Das ist nichts, mach keine Welle! Mannmannmann, du kannst echt nerven, Lisa. Also, ab jetzt, wir gehen schlafen.“
    Im Bett traute Lisa sich zu fragen, wie es mit den Bewerbungen geklappt hat. Doch Ingmar tat so, als schliefe er bereits. Sollte die blöde Kuh doch selbst arbeiten gehen, da würde sie schon merken, wie schön sie es hier zu Hause hatte.
    ***
    Wie das passieren konnte, war ihr schleierhaft. Sie nahm die Pille seit ihrem dreizehnten Lebensjahr und vergaß sie nie – und jetzt das. Ihre Periode war seit Wochen überfällig. Schwanger von wem auch immer. Chantalle starrte auf die zwei roten Streifen des Schwangerschaftstests und verfluchte diese Ungerechtigkeit. So viele Möglichkeiten gab es nicht: drei Sexpartner in den letzten Wochen. Es stand nur so viel fest, als dass ihr jetziger Lover nicht infrage kam. Die Beziehung war zu frisch, die Schwangerschaft vermutlich schon zu weit fortgeschritten. Verdammt, in welchem Monat war sie wohl? Mit dem Teststäbchen in der Hand lief Chantalle konzentriert durch die Wohnung und kam zu dem Schluss, dass es scheißegal war, wer der Vater des Kindes sein würde. Das Kind musste weg. Mit dem Thema Abtreibung hatte sie sich noch nie beschäftigt, aber so schlimm konnte das nicht sein. Machten Millionen von Frauen, jetzt also auch sie. Keine große Sache.
    Chantalle fuhr direkt zu ihrem Frauenarzt und führte sich an der Anmeldung dermaßen theatralisch auf, dass sie tatsächlich ohne Termin im Wartezimmer Platz nehmen durfte und der Doktor sich die Sache einmal ansah.

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