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Das Keltenkreuz

Das Keltenkreuz

Titel: Das Keltenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Wenn ich näher darüber nachdachte, mußte er ebenfalls mit diesem Gleichgewicht der Kräfte schweben. Auf der einen Seite dem Christentum zugeneigt sein, auf der anderen der Götterwelt der Kelten, die einmal hier gelebt hatten.
    Besucher wohl nicht. Sie kamen und gingen, aber die Mönche lebten Jahre auf Iona, und sie kannten die Geheimnisse der Insel inzwischen in- und auswendig.
    »Nehmt die Fähre. Fahrt wieder zurück! Vergeßt die Männer. Es ist besser so.«
    »Bestimmt fahren wir zurück«, sagte ich, »aber darf ich Ihnen noch etwas zeigen?«
    »Was?«
    »Schauen Sie nur.«
    Er war mißtrauisch und drückte sich mit dem Rücken gegen die Lehne, wie jemand, der sich in die Enge getrieben fühlt. Mich ließ er nicht aus den Augen, und so schaute er zu, wie ich die Kette mit dem Kreuz über den Kopf zog. Der Mönch blieb sitzen.
    Er ballte die Hände zu Fäusten und atmete heftiger. Schweiß trat ihm auf die Stirn.
    »Haben Sie Angst vor dem Kreuz?«
    Der Mann schwieg. »Warum?«
    »Nein«, sagte er.
    »Dieses Kreuz«, sagte ich leise, »ist ein Teil des Gleichgewichts auf dieser Insel. Ich weiß nicht, was Sie abschreckt, aber…«
    Es war zu sehen. Auch Vivian bekam es mit, denn sie schrie plötzlich auf.
    In den Augen erlebten wir beide die Veränderung des Mönches. Plötzlich zeichneten sich dort die dunklen Kreuze ab. Sie standen auf dem Kopf.
    Es war das Zeichen des Sieges für die andere Seite. Da hatte Lug gewonnen. Blitzschnell verfärbten sich die Kreuze. Wurden heller, wieder dunkel, dann heller, und ich spürte die unterschiedlichen Temperaturen an meinem Talisman.
    Der Mönch jammerte. Er zitterte. Er rutschte zur Seite, aber auch ein böses, tierähnliches Knurren floß aus seinem Mund. Plötzlich schlug er um sich. Da wir nicht in der unmittelbaren Nähe standen, erwischte er uns auch nicht. Seine Hiebe gingen ins Leere, aber er wollte nichts mehr mit uns zu tun haben. Er kroch der anderen Bankseite entgegen. Wir ließen ihn.
    Stolpernd befreite sich der Mönch aus der engen Bank und eilte dem Ausgang entgegen. Mit wehender Kutte und auch jammernd rannte er davon. Er riß das Portal der Kirche auf. Für einen Moment zeichnete sich seine Gestalt noch in dem grauen Ausschnitt ab, dann war sie verschwunden. Vivian und ich blieben allein zurück.
    Wir schauten uns an. Vivian hob die Schulter. »Wissen wir jetzt Bescheid, John?«
    Ich verzog den rechten Mundwinkel. »Keine Ahnung. Zumindest sind wir schlauer.«
    »Ja, das sehe ich auch so.«
    »Wir kennen zumindest einen unserer Feinde, der hier ebenfalls regiert. Der Götze Lug.«
    Die junge Frau hatte Mühe, damit zurechtzukommen. Schließlich sagte sie: »Ich hätte nie gedacht, daß ich alte Sagen, Märchen oder Legenden einmal glauben müßte.«
    Ich lächelte vor mich hin. »Wissen Sie, Vivian, mit der Mythologie ist das so eine Sache. Sie kann hopp oder topp sein. Aber es gibt auch Zwischenströmungen. Wahrheiten, die in längst vergangenen Zeiten geboren wurden, und sie haben überlebt. Sie muß man auch erkennen, so wie hier auf Iona.«
    »Ich weiß nicht«, murmelte Vivian. »Es ist schwer, daran zu glauben, daß dieses Keltenkreuz in einer Waage gehalten wird. Einmal das Christentum, zum anderen dieser heidnische Glaube. Egal, wie. Ich frage mich, was wir hier noch tun können.«
    »Zunächst einmal das Verschwinden der sechs Männer aufklären, die Ihr Großonkel hergeschickt hat.«
    »Verschwinden…?« Sie hob die Schultern. »Können sie nicht auch tot sein?«
    »Sicher.«
    »Und wer soll uns die Antwort darauf geben? Wer wird denn uns gegenüber so ehrlich sein?«
    »Das weiß ich jetzt noch nicht, aber wir werden dem Kloster einen Besuch abstatten und dort nachfragen. Es kann ja durchaus sein, daß die Mönche mehr wissen.«
    »Was sie uns kaum sagen werden.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher«, erwiderte ich und lächelte dabei. »So ohne sind wir auch nicht.«
    »Meinen Sie Ihr Kreuz?«
    »Zum Beispiel.«
    »Dann rechnen Sie auch damit, daß die Mönche Angst davor haben könnten.«
    »Alles ist möglich«, sagte ich. »Aber da müssen wir abwarten. Im Kloster werden wir die Fragen stellen. Ansonsten lassen wir alles an uns herankommen.«
    »Ihre Nerven möchte ich haben, John.«
    Ich winkte ab. »Das ist nur äußerlich. Aber jetzt kommen Sie. Es wird Zeit, daß wir die Kirche verlassen.«
    Vivian sagte nichts mehr. Wir gingen schweigend nebeneinander her und atmeten erst wieder durch, als wir im Freien standen und den Wind

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