Das Keltenkreuz
seinem Gesicht kam mir schief und lauernd vor. Vielleicht war es nur Einbildung. »Ja, er ist schon außergewöhnlich.«
»Das können Sie schon behaupten. Noch einen?«
»Nein, einer reicht, danke.«
»Mein Großonkel hat ihn immer getrunken, wenn er Sie besuchte, Bruder Martin.«
»Stimmt. Und ich habe ihm auch einige Flaschen mitgeben können. Er hat sich gefreut.« Der Abt schob die Flasche zur Seite. »Darf ich fragen, wie es ihm geht?«
»Gut, denke ich.« Vivian nickte. »Jemand wie er ist wohl nicht unterzukriegen.«
»Ja, da hast du recht.« Der Abt nickte. »Was er sich einmal in den Kopf gesetzt hat, führt er auch durch. Seine großzügige Spende habe ich erhalten. Wir werden umbauen und modernisieren können und freuen uns schon darauf.«
»Und was ist mit der Gegenleistung?« fragte ich.
Der Abt zeigte sich etwas irritiert, obwohl ich glaubte, daß er schauspielerte. »Was meinen Sie damit?«
»Ich denke an das Kreuz draußen, das Keltenkreuz. Das Symbol dieser Insel.«
»Ah, das meinen Sie.«
»Er wollte es doch, nicht?«
»Ja, er bat darum.«
»Sie haben nicht zugestimmt?«
»Nein, Mr. Sinclair, ich konnte nicht zustimmen, obwohl ich Duncan Cameron sehr gut verstehe. Er hat ja recht, wenn er sagt, daß durch diesen Besucherboom auch das Kreuz leiden wird, aber ich kann es nicht von dieser Insel entfernen, weil es einfach dazugehört. Ich kann es auch nicht durch ein anderes, ähnliches oder fast gleiches austauschen lassen. Das geht gegen unser Leben hier. Für uns ist das Kreuz wichtig, denn wir alle sehen es als einen Zeugen der Geschichte an.« Er hob die Arme. »Sie müssen verstehen, daß es einfach auf diese Insel gehört, Mr. Sinclair.«
»Ich verstehe es, aber Ihr Freund Duncan Cameron ist wohl anderer Meinung.«
»Das weiß ich. Er hat es schon seit Jahren versucht. Immer wieder kam er auf das Thema zu sprechen, aber er kriegte mich nicht weich. Ich mußte hart bleiben.«
»Wie auch Cameron.«
»Ja.«
»Für mich ging es ziemlich weit«, sagte ich, »denn er hat seine Leute auf die Insel geschickt, um das Kreuz ausgraben zu lassen. Sieben Männer haben sich einen ersten Eindruck von diesem Keltenkreuz verschaffen können. Sehe ich das richtig?«
Der Abt überlegte. Ich wunderte mich darüber, denn da gab es nichts zu überlegen. »Ich kenne die Männer nicht«, meinte er schließlich.
Mein Lächeln fiel maskenhaft aus. »Sie wollen behaupten, die Männer nicht gesehen zu haben oder nicht zu kennen? Duncan Cameron hat sie auf die Insel geschickt. Das weiß ich.« Ich deutete auf Vivian. »Sie wird es Ihnen bestätigen können.«
Meine Begleiterin ließ mich nicht im Stich, denn sie nickte einige Male.
»Das verstehe ich nicht«, sagte der Abt. »Ich habe hier niemanden gesehen, der sich um das Kreuz kümmerte. Es tut mir leid, aber da muß ich Sie enttäuschen. Ich habe auch nicht mit Duncan Cameron darüber gesprochen, daß er vorhat, jemanden auf die Insel zu schicken, damit sich diese Personen um das Kreuz kümmern können.«
Er war gut. Er spielte gut, aber ich brauchte nur an den Mönch in der Kirche zu denken, um seine Aussagen relativieren oder als Lüge enttarnen zu können.
»Schade, Bruder Martin«, erklärte ich, »aber ich kann Ihnen leider nicht glauben.«
»Sie bezeichnen mich als Lügner?«
Ich starrte in seine Augen, um nach etwas Verdächtigem zu suchen.
Nach einer Spur, die mich darauf hinwies, daß er ebenfalls beeinflußt worden war. »Ob Lügner oder nicht, ich weiß, daß Duncan Cameron nichts unversucht gelassen hat, um in den Besitz des Keltenkreuzes zu gelangen. Sein Plan stand fest. Er hat die Männer angeheuert, sie nach Iona geschickt und sich einen ersten Lagebericht geben lassen wollen.«
Ich hob einen Finger. »Ich sagte bewußt: geben lassen wollen, denn dazu ist es nicht gekommen, weil sechs seiner Leute verschwunden blieben. Nur einer kehrte zurück, und er war ein Gezeichneter. Allerdings lebt er jetzt nicht mehr. Was bei mir die Frage aufwirft, ob die anderen sechs das gleiche Schicksal erlitten haben und auch tot sind.«
»Tot?« flüsterte der Mönch.
»Sie haben richtig gehört.«
»Wie sollten sie gestorben sein? Etwa durch uns?«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen. Wir sind gekommen, um die Wahrheit zu erfahren.«
»Die habe ich Ihnen erzählt.«
»Und dabei bleiben Sie?«
»Ja, dabei bleibe ich. Die Männer habe ich nicht gesehen. Es kann ja sein, daß sie ihrer Aufgabe in der Nacht nachgekommen sind. Da schlafe ich
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