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Das Kettenlädenmassaker

Das Kettenlädenmassaker

Titel: Das Kettenlädenmassaker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Rankin
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die Augen schlossen und den Atem anhielten, schien die Luft in dem großen Arbeitszimmer einen Seufzer auszustoßen.
    Und für kaum mehr als eine Sekunde oder zwei — oder waren es zehn oder ein ganzes Leben aus Sekunden und Minuten und Tagen und Stunden — herrschte so etwas wie absolute Ruhe und absoluter Frieden.
    Absolut.
    Und dann war der Augenblick vorbei. Alle atmeten auf, und alle fühlten sich verlegen und unbehaglich. Als hätten sie ihre Seelen und geheimsten Ängste bloßgelegt. Und etwas so Besonderes und so Greifbares erlebt, daß es physisch schmerzte.
    »Irgend etwas ist geschehen«, sagte Jim und preßte die Hände aufs Herz. »Irgend etwas Wundervolles. Was war das?«
    Professor Slocombe lächelte.
    »Meine Herren«, sagte er. »Das Wundervolle beginnt gerade erst.« Er legte die Hände auf den Deckel der Schatulle und hob ihn an. Und dann erfüllte sich das gesamte Arbeitszimmer mit dem Duft von Flieder.
    Omally bekreuzigte sich. »Der Odem der Heiligkeit«, flüsterte er.
    »Korrekt, Jim. Der Duft, der von den unverweslichen Körpern der Heiligen aufsteigt.« Professor Slocombe sprach das lateinische Benediktum und nahm etwas aus der Schatulle, das in lilafarbenen Samt eingeschlagen war. Er legte das Bündel auf seinen Schreibtisch und schlug vorsichtig den Stoff beiseite. Darunter kamen die Schriftrollen zum Vorschein, in lateinischer Schrift und mit dem päpstlichen Siegel versehen.
    »O ja«, sagte Professor Slocombe. »O ja.«
    »Dann sind es die Rollen?«
    Der weißhaarige Gelehrte blickte den Mann mit der elektrostatischen Frisur an, den Mann mit den beiden blauen Augen und der blutigen Nase.
    »Du hast eine Menge für diese Rollen auf dich genommen, nicht wahr, Jim?« fragte er. »Aber weißt du eigentlich genau, was du da gefunden hast?«
    »Die Brentforder Schriftrollen«, sagte Jim stolz.
    »Die Tage Gottes«, sagte Professor Slocombe. »Jim, vielleicht hast du mit dieser Entdeckung den gesamten Verlauf der menschlichen Geschichte verändert.«
     
    Professor Slocombe erzählte. »Als Papst Gregor den Kalender vom Julianischen auf den Gregorianischen geändert hat, da geschah das aus rein praktischen Erwägungen heraus. Es hatte nichts mit mystischen Dingen zu tun. Aber versteht ihr, das genaue Datum von Christi Geburt war nie mit letzter Sicherheit bekannt. Das kommende Millennium, das Jahr 2000, ist nichts weiter als eine Annäherung. Der Papst war sich nicht bewußt, daß er mit seiner Unterschrift unter der päpstlichen Bulle, mit der er die Tage Gottes genehmigte, einem Menschen in der Zukunft die Mittel in die Hand geben würde, sicherzustellen, daß die Millenniumfeiern am richtigen Tag im richtigen Jahr gefeiert werden.«
    »Aber spielt das denn wirklich eine Rolle?« erkundigte sich Jim.
    »Oh, absolut. Hättest du die magischen Wissenschaften so lange studiert wie ich und, wie ich zu behaupten wage, mit einigem Erfolg praktiziert, dann würdest du verstehen, daß Präzision alles ist. Wenn eine Magie erfolgreich sein soll, dann muß jeder magische Block präzise ausgerichtet werden. Wenn nur ein einziger fehlt oder nicht an seinem vorgesehenen Platz ist, dann kollabiert das gesamte metaphysische Gebäude. Nur wenn alles ganz genau zusammenpaßt, wird das Unmögliche möglich. Die ›Naturgesetze‹ sind transzendent, höhere Wahrheiten werden offenkundig, Weisheit enthüllt. Wenn der exakte Tag des Jahres vorübergeht, an dem das Millennium gefeiert werden sollte, ohne daß die entsprechenden Zeremonien durchgeführt wurden, dann kann und wird seine Magie sich nicht manifestieren.«
    »Aber was ist das für eine Magie? Sie reden doch wohl nicht vom Armageddon oder vom Ende der Welt oder ähnlichen Schrecken, oder?«
    »Ganz im Gegenteil, Jim. Wenn die Zeremonien am richtigen Tag durchgeführt werden, geschieht etwas ganz und gar Wunderbares. Etwas Unvergleichliches. Etwas, das die Welt für immer verändern wird.«
    »Oh«, sagte Jim. »Und was mag das sein?«
    »Was hast du gerade eben gefühlt, als du deine Augen im Gebet geschlossen hast?«
    »Ich weiß es nicht genau.« Jim schüttelte den Kopf. »Aber es war etwas Wunderbares.«
    »Stell dir dieses Gefühl die ganze Zeit über vor. Stell dir einen Zustand erhöhter Bewußtheit und besseren Verständnisses vor. Einen Zustand des inneren Friedens, der Ruhe, der Liebe meinetwegen. Ja, Liebe ist genau das richtige Wort.«
    »Und Sie behaupten, daß jeder dieses Gefühl erfahren wird, wenn die Millenniumfeiern am richtigen

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