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Das Kettenlädenmassaker

Das Kettenlädenmassaker

Titel: Das Kettenlädenmassaker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Rankin
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war das Leben, und wichtiger noch, das Leben war jetzt! Und Jim Pooley genoß sein Leben aus den denkbar vollsten Zügen, zu denen er imstande war.
    Er atmete die gesunde Brentforder Luft, die nach Geißblatt roch, nach Jasminblüten und nach Wicken. Der Himmel war so blau, wie es nur ging, und die Sonne schien freundlich auf Jim herab. Zu leben war etwas Wunderbares an einem Tag wie diesem. Jim nahm die Schultern zurück, drückte die Brust heraus, straffte seine Schritte und fand eine Melodie, die er pfeifen konnte. Gott war im Himmel, und unten in Brentford war alles im Lot.
    Frohgelaunt kam er beim Fliegenden Schwan an, legte die Hand auf die Salonbartür und stieß sie auf — um sich unvermittelt mit einem höchst bizarren Spektakel konfrontiert zusehen.
    Der Terriermischling des Alten Pete, Chips, lag mitten im Raum auf dem Rücken, eine Pfote quer über der Hundeschnauze. Er schien sich vor Heiterkeit nicht mehr halten zu können. An der Theke hatten sich mehrere Stammgäste ihre Taschentücher wie Cowboys vor das Gesicht gebunden. Die beiden alten Burschen aus der Wohnsiedlung saßen an ihrem Dominotisch und hielten sich die Nasen zu, und John Vincent Omally hatte die Arme vor der Brust verschränkt und zwei Vick Inhalatoren tief in seine beiden Nasenlöcher gesteckt.
    Neville der Teilzeitbarmann kam vorsichtig mit dem Kopf hinter der Theke hervor. Er trug eine Gasmaske. »Was willst du denn hier, Stinktier?« erkundigte er sich mit erstickter Stimme. »Bist wohl gerade von Osten her hereingeweht worden?«
    Und dann brachen sämtliche Gäste in schallendes Gelächter aus.
    Pooley stand offenen Mundes da. Er zitterte am ganzen Körper, und seine Fäuste öffneten und schlossen sich unkontrolliert. »Compton-Cummings«, flüsterte er mit kalter, tödlicher Stimme.
    »Du hast es erraten!« rief Neville und riß sich die Gasmaske vom Gesicht, um die Tränen aus den Augen zu wischen. »Er hat vor fünf Minuten hier angerufen und Werbung für sein neuestes Buch gemacht. Dachte, wir würden wahrscheinlich alle nicht warten können, bis es zu kaufen ist.« 5
    Jim Pooley machte auf dem Absatz kehrt. Er verließ den Fliegenden Schwan und ging nach Hause, um seinen alten Kricketschläger aus der Schulzeit zu suchen.

3
     
    Der Richter beschrieb die Attacke in seiner Urteilsbegründung als äußerst brutal und kaltblütig. Er fügte hinzu, daß er in all den langen Jahren auf dem Richterstuhl noch keinen einzigen Fall von ähnlicher Grausamkeit verhandelt hätte. Er lenkte die Aufmerksamkeit der Geschworenen einmal mehr auf die entsetzlichen Aufnahmen des Polizeiphotographen, auf denen die blutigen Einzelheiten der Verletzungen des Opfers allzu deutlich zu erkennen waren. Er zeigte ihnen den zerbrochenen, blutbesudelten Kricketschläger und sprach von dem langen, langen Sturz aus dem zweiten Stock auf das Pflaster des Gehwegs tief unten am Boden.
    Er sprach von einer Eskalation der Gewalt, vom schlechten Einfluß des Fernsehens, der Notwendigkeit, ein hartes (und dennoch faires) Urteil auszusprechen, dem Ruf nach Gerechtigkeit und danach, die Straße von unmenschlichen Monstren freizuhalten, so daß alte weißhaarige Damen ohne um ihr Leben fürchten zu müssen dieselbe überqueren konnten.
    Und dann fügte er hinzu, daß der Angriff nach seiner persönlichen Überzeugung vollkommen gerechtfertigt gewesen sei, und sprach den Täter frei. Außerdem wies er Pooleys Schadensersatzforderung in Höhe von einer Million Pfund als unbegründet ab. Mister Pooley, so schloß er, habe die Abreibung bekommen, die er verdiene.
    »Ich selbst praktiziere ebenfalls Dimac«, sagte der Richter. »Ich bin Freimaurer in der gleichen Loge wie Mister Compton-Cummings, und ich kann Ihnen verraten, daß ich Ihnen noch viel schlimmer zugesetzt hätte.«
    Peng machte der Hammer auf dem Klotz, und der Gerichtssaal leerte sich. Jim Pooley blieb allein in seinem Rollstuhl zurück.
    Kurz nachdem der Fliegende Schwan nach der Mittagszeit geschlossen hatte, kam John Omally vorbei, um Jim in seinem Rollstuhl nach Hause zu schieben.
    »Sieh es doch von der positiven Seite, Jim«, sagte er. »Wenigstens hattest du Prozeßkostenhilfe.«
     
    Monate vergingen. Platzwunden heilten, und Knochen wuchsen wieder zusammen. Aus Respekt vor der schlimmen Bestrafung, die Pooley zuteil geworden war, verzichteten die Gäste des Fliegenden Schwans auf weitere Anspielungen über Winde aus dem Osten. Nach der kurzen, aufregenden Zeit der Gerichtsverhandlung kehrte in

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