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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Problem mit den Gefühlen.
Eigentlich nicht so schlimm, dachte Alex. Es würde genügen, wenn er lernte, wie man Gefühle zeigte. Es war nicht
notwendig, daß er die Gefühle, die er äußerte, wirklich
empfand.
Es kam nicht darauf an, wer er war.
Wichtig war nur, daß er den Menschen eine Rolle vorspielte.
Er klappte das Buch zu und stellte es ins Regal zurück. Als
er sich umdrehte, erblickte er seinen Vater, der auf der
Schwelle des Wohnzimmers stand.
»Was ist los, Alex? Fühlst du dich nicht wohl?«
»Ich habe nur ein Wort im Lexikon nachgesehen«, gab Alex
zur Antwort.
»Weißt du, wieviel Uhr es ist?«
Alex warf einen Blick auf die Standuhr. »Halb vier morgens.«
»Wie kommt es, daß du um diese Zeit noch nicht schläfst?«
»Ich habe über ein Wort nachgedacht, dann habe ich's
nachgeschlagen. Ich gehe jetzt wieder zu Bett.« Er wollte
hinausgehen, aber sein Vater hielt ihn zurück.
»Machst du dir wegen irgend etwas Sorgen, mein Sohn?«
Alex überlegte, ob er seinem Vater erklären sollte, welche
Unterschiede es zwischen ihm und Jungen seines Alters gab.
Aber das hatte wohl keinen Sinn. Es gab auf der Welt nur einen
einzigen Menschen, der das verstehen konnte: Dr. Torres. »Mir
geht's gut, Vater.«
Marsh ließ sich in seinen Lieblingssessel fallen. Er maß
seinen Sohn mit einem nachdenklichen Blick. Der Junge sah
gesund aus. Störend war, daß er so gleichgültig, so
teilnahmslos wirkte. »Ich möchte mit dir über deine Zukunft
sprechen, Alex. Ich möchte das tun, bevor Dr. Torres diese
Dinge für uns entscheidet.«
Alex hörte aufmerksam zu, während sein Vater ihm den Plan
darlegte. Nach seinen Vorstellungen sollte er den Förderkurs in
Stanford belegen. Marsh war neugierig, welche Wirkung der
Plan auf seinen Sohn ausüben würde.
Alex' Gesicht blieb ausdruckslos, und Marsh hatte das
unangenehme Gefühl, daß sein Sohn ihm überhaupt nicht
zugehört hatte. »Nun?« fragte er. »Was hältst du von der
Sache?«
Alex wartete einige Sekunden, dann erhob er sich aus dem
Sessel. »Ich muß mit Dr. Torres darüber sprechen«, sagte er. Er
strebte zur Tür. »Gute Nacht, Vater.«
Marsh starrte ihm nach, und dann überkam ihn der Zorn. »Alex!« Der Junge blieb stehen und sah ihn an.
»Was ist, Vater?«
»Du sollst mir sagen, was mit dir los ist«, donnerte Marsh.
»Hast du mir überhaupt zugehört? Was habe ich gesagt?«
Alex wiederholte die Worte seines Vaters.
»Hör auf damit!« schrie Marsh. »Verdammt noch mal, hör
auf damit!«
Marsh stand da und lauschte dem Ticken der alten Standuhr.
Vergeblich wartete er darauf, daß sein Zorn abebbte. Nach
einer Weile beschlich ihn das Gefühl, daß sich eine dritte
Person im Raum befand. Er wandte sich um und erblickte
Ellen, die auf der Schwelle des Wohnzimmers stand.
»Was geht hier vor?« fragte sie ihren Mann. Als dieser keine
Antwort gab, wandte sie sich an ihren Sohn. »Alex?«
»Ich weiß nicht«, sagte Alex. »Vater hat gesagt, er will mich
im College in Stanford einschreiben. Ich habe ihm gesagt, daß
ich noch mit Dr. Torres darüber sprechen will. Und dann hat er
mich angeschrien.«
»Geh jetzt schlafen, mein Junge«, sagte Ellen. Sie umarmte
ihn flüchtig und bugsierte ihn zum Flur. »Geh nur, Alex. Ich
werde mit deinem Vater über die Sache sprechen.« Sie wartete,
bis der Junge in seinem Zimmer verschwunden war. Als sie
Marsh ansah, waren ihre Augen voller Tränen. »Du kannst den
Jungen in diesem Zustand nicht in eine andere Stadt schicken«,
flüsterte sie. »Du weißt doch, daß er noch nicht gesund ist.
Warum setzt du ihn unter Druck?«
Sein Zorn verflog. Er ließ sich auf das Sofa sinken und
bedeckte sein Gesicht mit den Händen.
»Es tut mir leid, Liebling«, sagte er leise. »Ich bin nur explodiert, weil ich wie gegen eine Wand gesprochen habe. Zum
Schluß hat er dann noch gesagt, daß er sich in dieser Sache mit
Dr. Torres beraten will. Ausgerechnet mit Dr. Torres!«
Bitterkeit zeichnete seine Züge. »Ich bin der Vater des
Jungen, Ellen«, sagte er mit schmerzerfüllter Stimme. »Aber
Alex behandelt mich, als wenn ich Luft wäre.«
»Wir müssen ihm helfen, die Krise zu überwinden. Solange
er noch nicht über den Berg ist, muß er bei uns in La Paloma
bleiben. Er lernt ja gerade erst, mit den Menschen
zurechtzukommen, mit denen er seit Jahren zu tun hat. Wie
könnte er sich in einer Umgebung durchsetzen, wo er
niemanden kennt?«
»Aber er ist doch so intelligent«, wandte Marsh ein.
»Ich weiß«,

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