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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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»Was ist mit dir?«
Alex deutete auf den Grabstein. Er schluchzte. Und jetzt
erinnerte sich Lisa an die Warnung, die Alex' Mutter
ausgesprochen hatte. »Es ist möglich, daß er unvermittelt zu
lachen oder zu weinen beginnt. Der Grund sind falsche
Kontakte in seinem Gehirn. Es kann zu Überreaktionen
kommen.«
Genau das war passiert. Alex stand am Grabstein eines
unbekannten Menschen und weinte, wie ihn Lisa noch nie hatte
weinen sehen. Eine Überreaktion.
Oder hatte er sich an geheimnisvolle Dinge aus ferner
Vergangenheit erinnert? Sie versuchte ihn vom Grab wegzuziehen, als ein Priester, der sich auf der Rückseite der
Kapelle aufgehalten hatte, den Garten durchquerte und zu
ihnen trat.
»Ist Ihrem Freund nicht gut?«
»Es ist nichts«, stammelte Lisa. Ein paar Sekunden lang
dachte sie über eine Erklärung für Alex' merkwürdiges
Verhalten nach, aber es fiel ihr nichts ein. »Alex«, flüsterte sie.
»Laß uns hier weggehen.«
Sie verließen den Friedhof, die Blicke des Geistlichen
folgten ihnen. Zurück im Missionsgarten, legte Lisa ihren Arm
um Alex' Schultern. »Du mußt nicht weinen«, flüsterte sie. »Es
war nur ein alter Grabstein. Kein Grund, Tränen zu vergießen.«
Nur ein Grabstein.
Aber nicht irgendein Grabstein. Die Nonnen hatten es ihm
ins Ohr geflüstert: Es war sein Onkel, dessen Gebeine dort
ruhten.
Alex wußte, daß er keinen Onkel hatte.
Ganz sicher hatte er keinen Onkel, der im Jahre 1850
gestorben war.
Trotzdem war die Vision sehr klar. Klar, aber unmöglich.
Lisa gab ihrem Freund ein Taschentuch. Er schneuzte sich.
»Warum hast du geweint?« fragte sie.
Er wußte nicht, was er ihr antworten sollte. Wenn er ihr
sagte, was er gesehen und gespürt hatte, würde sie ihn für
verrückt halten. Trotzdem, er mußte ihr irgendeine Erklärung
geben. »Mir ist es, als wäre ich schon einmal hiergewesen.
Damals hat sich etwas Furchtbares ereignet. Aber ich kann
mich nicht mehr erinnern, was es war.«
»Vielleicht warst du wirklich schon einmal hier«, sagte sie
leise. »Und vielleicht hat sich damals wirklich eine Tragödie
ereignet.« Er wollte etwas antworten, aber Bob und Kate, die
durch den Garten herbeigeeilt waren, unterbrachen ihn.
»Was ist passiert?« fragte Kate. »Bist du okay?«
»Ich hatte eine Erinnerung. Etwas Trauriges. So traurig, daß
ich in Tränen ausgebrochen bin. Dr. Torres hat mir gesagt, daß
so etwas passieren könnte, aber ich habe das damals nicht ernst
genommen.« Lisa warf ihm einen tadelnden Blick zu, aber er
beließ es bei der Auskunft, die er den Freunden gegeben hatte.
Auch gut, dachte sie. Wenn er ihnen nicht mehr verraten will,
werde ich nicht diejenige sein, die alles enthüllt.
»Vielleicht ist es ein gutes Zeichen«, hörte sie Alex sagen.
»Vielleicht bedeutet es, daß meine Verletzungen verheilen.«
»Hast du vor, zu deinen Eltern über die Erinnerung zu
sprechen, die du auf dem Friedhof gehabt hast?« fragte Kate.
»Das darf er unter keinen Umständen tun«, sagte Bob.
»Sonst finden unsere Eltern heraus, daß wir sie belogen haben.
Ich möchte das Theater nicht erleben.«
»Aber vielleicht ist es wichtig«, wandte Lisa ein. »Wichtig
für die Behandlung.«
»Er kann doch sagen, er hat die Erinnerung in Santa Cruz
gehabt«, schlug Bob vor. »Ganz davon abgesehen, daß es nicht
ungewöhnlich ist, wenn jemand auf dem Friedhof weint. Dazu
sind Friedhöfe schließlich da.«
»Ich habe nicht gesagt, daß es ungewöhnlich ist«, antwortete
Lisa. »Ich habe nur gesagt, daß es vielleicht wichtig für die
Behandlung ist. Was unsere Lügen und unseren Ausflug nach
San Francisco angeht, sollten wir vor unseren Eltern keine
Angst haben. Wenn ihr mich fragt, soll Alex seinen Eltern die
Dinge genauso schildern, wie er sie erlebt hat.«
»Das ist eine Frage, über die wir abstimmen sollten«, sagte
Bob. »Ich bin dafür, daß er's seinen Eltern verschweigt.« Er sah
Kate an, die unentschlossen schien. Sie schlug den Blick
nieder, als sie zu sprechen begann.
»Lisa hat recht«, sagte sie. »Er soll's seinen Eltern so erzählen, wie es gewesen ist. Übrigens meine ich, daß wir jetzt
heimfahren sollten.«
»Ich will noch nicht nach Hause fahren«, ließ sich Alex
vernehmen. Seine drei Freunde sahen ihn erstaunt an. »Es ist
besser, wenn ich Dr. Torres von hier aus anrufe und ihm sage,
was passiert ist. Vielleicht will er, daß ich noch etwas
hierbleibe.«
»Du willst hierbleiben?« sagte Lisa. »Und warum?«
»Weil sich

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