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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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sich an seinen Sohn. »Wußtest du, daß du
uns nicht belügen darfst?« fragte er.
Alex schüttelte den Kopf. »Aber jetzt weiß ich es«, sagte er.
»Ich verspreche, es wird nicht wieder vorkommen.«
»Übrigens hat Alex recht, wenn er sagt, daß seine Freunde
wegen der Sache nicht bestraft werden sollten«, fügte Ellen
hinzu. »Es ist nicht fair, wenn er selbst mit einem blauen Auge
davonkommt, während die anderen Stubenarrest bekommen.
Außerdem wäre es bei Alex nicht zu dem emotionalen
Durchbruch gekommen, wenn die Kinder sich nicht über alle
unsere Verbote hinweggesetzt hätten und in die Stadt gefahren
wären.«
Durchbruch, dachte Marsh. Seit wann war es ein
Durchbruch, wenn jemand beim Besuch eines Friedhofes in
Tränen ausbrach? Dr. Torres, mit dem er über die Sache
gesprochen hatte, war natürlich der gleichen Meinung wie
Ellen. Er hielt nichts von Marsh' These, daß Alex' Gefühlsausbruch auch ein Symptom für die schweren Schäden
sein konnte, die im Gehirn des Jungen zurückgeblieben waren.
Auch jetzt, wo Marsh mit seiner Frau über das Ereignis sprach,
meldete er Bedenken an der Theorie des Spezialisten an. »Und
was ist, wenn es sich nicht um einen Durchbruch handelt?«
fragte er Ellen. Er kam ihrer Antwort zuvor. »Du brauchst
nichts zu sagen. Ich weiß, was für eine Meinung Dr. Torres in
dieser Sache vertritt. Aber ich weiß auch, daß wir mit Alex nie
die Mission Dolores besucht haben.«
»Vielleicht hat er die Mission Dolores einmal mit deinen
Großeltern besucht, ohne daß wir davon erfahren haben«,
entgegnete Ellen. »Oder die Klasse hat irgendwann in den
letzten Jahren einen Schulausflug nach San Francisco gemacht!
Was mich angeht, ich glaube dem Jungen, daß er eine
Erinnerung an die Mission Dolores hat, und ich verstehe nicht,
warum du als der Vater das nicht akzeptieren kannst.«
»Ich akzeptiere es nicht, weil es keinen Sinn macht. Alex
kann sich ja nicht einmal an die Häuser und Orte erinnern, von
denen wir wissen, daß er sie tausendmal gesehen hat. Warum
in aller Welt sollte in seinem Gedächtnis das Bild eines
Friedhofs auftauchen, den er mit Sicherheit noch nie in seinem
Leben besucht hat? Es tut mir leid, aber so wie du es sagst, hat
es wirklich keine Logik.« Er wandte sich wieder zu Alex.
»Bist du denn sicher, daß du schon einmal in der Mission
Dolores gewesen bist?«
Alex bejahte. »Als ich die kleine Kirche und den Friedhof
sah, habe ich den Ort sofort wiedererkannt.«
»Das könnte aber auch ein Deja-vu-Erlebnis gewesen sein«,
wandte Marsh ein. »So etwas ist gar nicht selten. Dr. Torres hat
mir das erklärt.«
»Ich weiß, was du meinst«, sagte Alex. »Aber in diesem Fall
muß es eine andere Erklärung geben. Als ich den Grabstein
erblickte, bin ich geradewegs darauf zugegangen. Und dann bin
ich in Tränen ausgebrochen.«
»Nun gut«, sagte Marsh. »Von Bedeutung bei der ganzen
Angelegenheit ist doch wohl, daß du geweint hast, oder siehst
du das anders?«
Alex stimmte ihm zu, obwohl er noch Zweifel hatte. Woher
waren die Stimmen gekommen, die er gehört hatte? War das
nicht auch eine Sache von großer Bedeutung? Ob er seinen
Eltern erzählen sollte, daß er Nonnen gesehen hatte? Nein,
dachte er. Ich muß mich wegen dieser Erinnerung erst mit Dr.
Torres besprechen. »Kann ich jetzt schlafen gehen?« fragte er.
Marsh warf einen Blick auf die Uhr. Es war erst Viertel vor
zehn. Alex hatte die Gewohnheit, immer erst um elf ins Bett zu
gehen. »Ist es dazu nicht noch zu früh?«
»Ich möchte noch etwas lesen.«
Resigniert hob Marsh die Schultern. »Wie du meinst.«
Alex zögerte, dann drückte er seiner Mutter einen Kuß auf
die Wange. »Gute Nacht.«
»Schlaf gut«, sagte Ellen. Sie sah ihrem Sohn nach, wie er
das Wohnzimmer verließ, dann wandte sie sich zu Marsh. Als
sich ihre Blicke trafen, wußte sie sofort, daß der Streit über
Alex' Vision weitergehen würde. »Sag schon, was du zu sagen
hast«, murmelte sie.
»Nein«, erwiderte Marsh. »Ich möchte nicht mehr über die
Sache reden.« Ein grimmiges Lächeln lag auf seinem Gesicht.
»Aber eines solltest du wissen. Ich habe ein ungutes Gefühl bei
dieser ganzen Angelegenheit.«
Ellen setzte sich neben ihn auf das Sofa und ertastete seine
Hand. »Sag mir, was du auf dem Herzen hast«, bat sie. »Ich
verspreche dir, ich werde dich nicht auslachen. Ich werde auch
nicht mit dir streiten. Ich habe selbst so oft Vorgefühle, daß ich
mich über die Empfindungen

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