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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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Sie hat ja immer schon bekommen, was sie wollte, und
wenn sie einen bestimmten Menschen nicht wollte, dann hat sie
es bestens verstanden, sich den Störenfried vom Leibe zu
halten.«
Störenfried, dachte Ellen. Damit meint er sich selbst. Er hatte
Cynthia oft eingeladen, mit ihm auszugehen, aber sie hat das
immer abgelehnt. Ob Raymond deswegen immer noch einen
Groll gegen sie bewahrte? Wohl kaum. Seit der gemeinsamen
Schulzeit waren zwanzig Jahre vergangen.
Sie sah auf und war erleichtert, als sie ein Lächeln auf
seinem Gesicht entdeckte. Der unangenehme Augenblick war
vorüber.
»Nein, ich wußte nicht, daß meine Mutter Ihnen im Haus
hilft, aber machen Sie sich deswegen nicht weiter Gedanken.
Ich verfüge über genügend finanzielle Mittel, um meine Mutter
zu unterstützen, aber sie nimmt kein Geld von mir an. Das
mexikanische Ehrgefühl, Sie verstehen. Meine Mutter fühlt
sich als Mexikanerin, obwohl sie, ihre Eltern und Großeltern
hier in den Vereinigten Staaten geboren sind. Sie hat mir in
gewisser Weise nie verziehen, daß ich Erfolg habe. Sie bestraft
mich, indem sie für sich selbst sorgt und auf meine Hilfe
verzichtet. Folglich kümmere ich mich auch nicht darum, für
wen sie arbeitet. Falls es Sie erleichtert, möchte ich Ihnen
sagen, es ist mir angenehmer, daß meine Mutter in Ihrem Haus
und nicht für Irgendeine andere Familie arbeitet. Bei Ihnen bin
ich wenigstens sicher, daß Sie meine Mutter anständig
behandeln.«
»Ich bin sicher, daß Ihre Mutter auch in den anderen
Häusern, in denen sie gearbeitet hat, gut behandelt worden ist«,
sagte Ellen.
»Sie müssen wissen, es ist nicht einfach, mit meiner Mutter
auszukommen. Sie hat eine sehr lebhafte Fantasie, und sie ist
leicht eingeschnappt.« Er erhob sich aus seinem Sessel. »Was
halten Sie davon, wenn wir jetzt zu Alex gehen?«
Ellen hätte noch gern länger mit ihm über Maria gesprochen.
Sie genoß die rätselhafte Anziehungskraft, die von seiner
Persönlichkeit ausging. Sie folgte ihm in den Untersuchungsraum, wo sie ein Gespräch über Alex' Visionen in San
Francisco begannen.
    Alex hatte die Augen geöffnet. Er starrte auf die Monitoren, die
an den Wänden des Raumes aufgestellt waren. Der Test war
beendet. Wie immer, wenn er aus der Narkose aufwachte, hatte
Alex merkwürdige Geräusche gehört und Bilder gesehen. Er
versuchte, den Kopf zur Seite zu drehen, aber die Kabel, die
von den Geräten zu den Elektroden in seiner Schädeldecke
führten, hielten ihn gefangen.
    Er hörte, wie die Tür geöffnet wurde. Wenige Sekunden
später trat der Arzt an das Bett. »Wie fühlst du dich?«
»Okay«, antwortete Alex. Und dann, während Dr. Torres die
Elektroden herauszog: »Was haben Sie herausgefunden?«
»Ich muß die Daten erst analysieren. Das wird einige Zeit
dauern. Inzwischen möchte ich, daß du so oft wie möglich in
der unmittelbaren Umgebung von La Paloma spazierengehst.
Ich möchte, daß du dir die Landschaft und die Häuser genau
ansiehst.«
»Das habe ich bereits getan«, entgegnete Alex. Er richtete
sich auf. »Ich bin recht oft mit Lisa Cochran auf den Hügeln
um La Paloma umhergestreift.«
Dr. Torres schüttelte den Kopf. »Ich möchte, daß du bei
deinen Wanderungen allein bist«, sagte er. »Nimm alle
Eindrücke ganz unbefangen in dich auf. Du brauchst nicht nach
etwas Bestimmtem Ausschau zu halten. Es genügt, wenn du dir
alles ansiehst und mir über deine seelischen Reaktionen
berichtest. Meinst du, du kannst das?«
»Ich denke schon. Ich frage mich nur, warum ich das
machen soll.«
»Nennen wir's ein Experiment«, antwortete Dr. Torres. »Ich
bin sehr neugierig, was dabei herauskommt. Meine Hoffnung
ist, daß du irgendwo etwas siehst, was neue Erinnerungen bei
dir auslöst. Vielleicht läßt sich daraus eine Art Muster
zusammensetzen.«
Währenddessen dachte Alex darüber nach, wie man sich das
Muster vorzustellen hatte, von dem Dr. Torres sprach.
Die Fragen, die jetzt aufgeworfen worden waren, blieben
ohne Antwort. Er mußte den Instruktionen dieses Mannes
folgen und die Ergebnisse so nehmen, wie sie kamen.
Nachdem Alex und seine Mutter gegangen waren, ließ sich
Raymond Torres auf seinen Drehstuhl sinken. Vor ihm lag der
ausgedruckte Test.
Die Versuchsanordnung war anders gewesen als bei früheren
Tests. Diesmal waren keine neuen Daten in das Gehirn der
Versuchsperson eingespeichert worden. Er hatte auch nicht
versucht, die Lücken im Gedächtnis des Patienten mit

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