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Das Kind der Rache

Das Kind der Rache

Titel: Das Kind der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Saul
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allgemein die Feststellung gemacht, daß ich schlecht mit
anderen Ärzten auskomme.« Er sah Ellen an, und seine Augen
waren von hypnotischer Kraft erfüllt. »Um die Wahrheit zu
sagen, es gibt wenig Menschen, mit denen ich mich gut
verstehe.« Die Andeutung eines Lächelns huschte über seine
Lippen. »Ich war eben immer ein Außenseiter.«
»Sicher meinen Sie Ihre Jahre auf der High School«, sagte
sie. »Sie sollten diese Zeit aus Ihrem Gedächtnis verbannen.
Wir haben Sie damals gemieden, weil Sie so furchtbar
intelligent waren. Wir hatten ganz einfach Angst vor Ihnen!«
»Es scheint, daß es immer noch Menschen gibt, die Angst
vor mir haben«, sagte Dr. Torres trocken. »Zum Beispiel Ihr
Mann.«
»Angst ist in diesem Falle wohl nicht das richtige Wort«,
warf Ellen ein.
»Und was wäre das richtige Wort?« konterte Dr. Torres.
»Furcht? Unsicherheit? Eifersucht?« Seine Hand beschrieb
eine Geste der Ungeduld. »Was immer es bei Ihrem Mann für
Vorbehalte gibt, er muß diese Vorbehalte aufgeben. Um Alex'
willen.«
Endlich hatte er die Katze aus dem Sack gelassen. Ellen war
erleichtert. »Ich weiß. Darüber wollte ich heute sowieso mit
Ihnen sprechen. Raymond, ich mache mir wegen Marsh große
Sorgen. Er spricht Tag und Nacht von den überragenden
intellektuellen Fähigkeiten unseres Sohnes... Er ist richtig
fixiert auf die Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben
könnten. Was mich angeht, mir macht das alles eher Angst.«
»Vor allem haben Sie Angst, daß Ihr Mann mir die Weiterbehandlung Ihres Jungen verbieten könnte. Der Mohr hat seine
Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Ist es so?«
Ellen nickte verlegen.
»Nun, wenn Sie, meine liebe Ellen, nicht möchten, daß die
Behandlung unterbrochen wird, sollten wir Vorkehrungen
treffen, damit es nicht zu einer solchen Unterbrechung
kommt.« Er lächelte. Ellens Unsicherheit schwand. Dieser
Mann strahlte eine Entschlossenheit aus, die ihr das sichere
Gefühl vermittelte, er werde mit allen Schwierigkeiten fertig.
»Was kann ich dazu beitragen, daß Sie meinen Jungen
weiterhin behandeln können?« fragte sie.
Dr. Torres schien das Thema nicht sonderlich zu interessieren.
»Ehe Ihr Mann nicht ausdrücklich sagt, daß er mir die
Weiterbehandlung des Jungen verbietet, brauchen Sie gar
nichts zu tun. Sollte sich die Situation zuspitzen, wie Sie es
befürchten, kann ich immer noch einschreiten. Seien Sie
überzeugt, daß ich mit Ihrem Mann fertigwerde.«
Mein Mann. Ellen wiederholte die beiden Worte in Gedanken. Hatte Raymond ihren Ehegefährten je mit seinem
Vornamen angesprochen? Soweit sie sich erinnern konnte,
nicht. Was war der Grund für das kühle Verhältnis zwischen
den beiden Männern. Lag es an Raymonds abweisendem
Benehmen?
Plötzlich wurde ihr bewußt, wie wenig sie über Raymond
Torres wußte. Genaugenommen gar nichts. Ob er ihr insgeheim
verübelte, daß sie seine Mutter als Haushaltshilfe beschäftigte?
»Raymond, darf ich Ihnen eine Frage stellen, die überhaupt
nichts mit Alex' Erkrankung zu tun hat?«
»Fragen Sie mich, was Sie wollen. Ich behalte mir das Recht
vor, die Frage nicht zu beantworten.«
Flammende Röte überzog Ellens Wangen. »Natürlich
brauchen Sie mir nur zu antworten, wenn Sie wollen.« Sie
zögerte. »Es ist wegen Ihrer Mutter. Ich wollte Ihnen sagen,
daß ich sie in meinem Haushalt beschäftige.«
»Meine Mutter arbeitet in Ihrem Haus?« Dr. Torres nahm die
Pfeife aus dem Mund und legte sie auf den Schreibtisch. Seine
Augen funkelten. »Seit wann?«
Ellen war das Gespräch so unangenehm, daß sie am liebsten
in den Boden versunken wäre. »Mein Gott, was habe ich
getan? Ich war sicher, Ihre Mutter hätte Ihnen Bescheid
gesagt.«
»Das hat sie nicht«, sagte Dr. Torres. Er ergriff seine Pfeife
und tat einen langen Zug. »Aber das sollte Sie nicht
beunruhigen, Ellen. Es gibt viele Dinge, die mir meine Mutter
verheimlicht. Offen gesagt, wir treffen uns nur in großen
Abständen. Meine Mutter und ich haben ganz verschiedene
Ansichten. Zum Beispiel bin ich nicht damit einverstanden, daß
sie bei anderen Leuten putzen geht.«
»Es tut mir so leid«, sagte Ellen. »Ich hätte Ihre Mutter nie in
meine Dienste nehmen dürfen. Ich hatte von Anfang an
Zweifel, ob ich es tun sollte, aber Cynthia hat mich so sehr
darum gebeten, daß ich nachgegeben habe. Ich...«
»Cynthia.« Torres wiederholte das Wort mit düsterer Miene.
»Cynthia hat sich wieder einmal durchgesetzt, könnte man
sagen.

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