Das Kind der Rache
den Krankenwagen gerufen und...« Er stieß
die Tür auf. »O mein Gott«, flüsterte er. Er taumelte zurück
und warf die Tür wieder ins Schloß. Sein Gesicht war aschfahl.
»Kate... Deine Mutter ist in der Küche. Ich glaube, sie ist tot.«
Kate starrte ihn an, ohne zu begreifen. Dann rannte sie auf
die Küchentür zu und öffnete sie. In fliegender Hast ließ sie
ihren Blick durch den Raum schweifen. Schließlich fand sie,
wonach sie Ausschau gehalten hatte. Ihre
Knie begannen zu zittern. Schluchzend sank sie zu Boden.
Sergeant Finnerty wechselte einen Blick mit seinem Kollegen
Jackson. »Bist du okay?«
Tom Jackson nickte. »Ich werd's schon schaffen.« Sein Blick
war auf Marty Lewis' Leiche gerichtet. Er dachte nach und
versuchte sich über seine Gefühle klar zu werden. Dies war
ganz anders als bei dem Unfall, wo er Alex Lonsdale aus dem
Wrack des Mustangs gezogen hatte. Wirklich ganz anders. Die
Frau schien zu schlafen. Nur die wächserne Blässe ihres
Gesichts verriet, daß sie tot war.
Er kniete nieder, um ihren Puls zu fühlen.
Kein Puls.
Er stand auf. »Was meinst du?« fragte er seinen Kollegen.
»Was sollen wir machen?«
»Ich will erst mit dem Mädchen und dem Jungen sprechen«,
sagte Finnerty. Von der Straße her war das Heulen einer Sirene
zu hören. Wenige Sekunden später bog ein Krankenwagen in
die Einfahrt ein. Zwei Sanitäter kamen ins Haus gelaufen. Sie
wiederholten die Prozedur, die Sergeant Finnerty und sein
Kollege Jackson bei ihrer Ankunft wenige Minuten zuvor
durchgeführt hatten. »Sie dürfen ihre Lage nicht verändern«,
sagte Finnerty zu den Sanitätern. »Stellen Sie nur fest, ob sie
wirklich tot ist, den Rest macht die Spurensicherung. Die
Kollegen werden gleich hier sein. Tom, geh du raus und sorge
dafür, daß wir von Neugierigen verschont bleiben. Ich spreche
in der Zwischenzeit mit den jungen Leuten.«
Sergeant Finnerty verließ die Küche und kehrte ins
Wohnzimmer zurück, wo er Kate Lewis und Bob Carey so
vorfand, wie er sie verlassen hatte. Die beiden saßen auf dem
Sofa. Kate schluchzte, Bob versuchte sie zu trösten.
»Wie geht es ihr?« fragte Finnerty. Bob sah ihn mit einem
müden Blick an. »Wie es einem Mädchen geht, dessen Mutter
umgebracht worden ist.« Es fiel ihm sichtlich schwer, seine
Tränen zurückzuhalten.
»Beruhige dich«, sagte Finnerty. Er durchforschte sein
Gedächtnis nach dem Namen des Jungen. »Du bist Bob Carey,
nicht wahr?«
Bob nickte.
»Hast du schon deine Eltern angerufen und ihnen gesagt, wo
du bist? Wissen deine Eltern, was hier passiert ist?« Bob
schüttelte den Kopf. »Also gut«, sagte Sergeant Finnerty. »Ich
werde jetzt deine Eltern anrufen und sie bitten
hierherzukommen. Und dann möchte ich dir einige Fragen
stellen. Einverstanden?«
»Ich weiß nicht, was ich Ihnen sagen könnte«, erklärte Bob.
»Wir sind ins Haus gekommen, haben die Leiche gefunden,
und dann haben wir sofort die Polizei angerufen.«
Sergeant Finnerty legte dem Jungen die Hand auf die
Schultern. »Okay, okay. Ich werde mich gleich mit dir über die
Einzelheiten unterhalten.« Er ging hinaus, suchte die Nummer
der Familie Carey aus dem Telefonbuch heraus und betätigte
die Wählscheibe. Er erzählte Dave Carey, was geschehen war,
und versicherte ihm, daß sein Sohn wohlauf sei. Dann ging er
ins Wohnzimmer zurück.
Aus Bobs Aussage rekonstruierte er den Sachverhalt.
Finnerty kam es vor, als ob er die Geschichte schon oft gehört
hätte. Alkohol, Ehestreit. Allerdings war es das erste Mal in La
Paloma, daß solch ein Drama mit Mord und Totschlag geendet
hatte. Als Dave Carey eintraf, um seinen Sohn abzuholen, ging
Finnerty in die Küche.
Zwei Beamte der Spurensicherung waren eingetroffen.
Finnerty sah ihnen zu, wie sie den Raum inspizierten.
»Nun?« fragte er.
Bill Ryan, einer der beiden Detektive, zog die Schultern
hoch. »Vorläufig würde ich einmal sagen, daß es ein geplanter
Mord war. Keine Spuren eines Kampfes, keine aufgebrochenen
Türen, kein Hinweis auf Vergewaltigung.«
»Nach dem, was der Junge und das Mädchen sagen«,
bemerkte Finnerty, »ist sie von ihrem Mann umgebracht
worden. Er war betrunken, und die beiden haben gestritten, als
die Tochter heute früh die Wohnung verließ. Um genau zu
sein, sie ist weggelaufen, weil der Vater ihr auf den Geist ging.
Die Mutter hat versucht, ihren Mann vom Trinken
abzubringen. Das Mädchen glaubt, die Mutter wollte ihn in
eine Entziehungsklinik verfrachten.«
»Und das paßte ihm
Weitere Kostenlose Bücher