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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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sich meinem Geist sehr klar einprägen, bevor ich auch nur anfing, ebenso wie der Zauber, der die Verwandlung rückgängig machte. An diese beiden Dinge musste ich mich halten, und an meine Kenntnis meiner selbst, oder ich würde für immer in der Tiergestalt verharren müssen. Mein Herz klopfte aufgeregt. Ich musste es tun, ich würde es tun.
    »Jetzt«, sagte das Eulengeschöpf.
    Der zweite Schritt. Ich dachte Motte. Ich spürte die Form, die Leichtigkeit, die Veränderung des Gleichgewichts, so dass es statt Auf und Ab, Boden und Decke, einfach nur unterschiedliche Ebenen und unterschiedliche Arten der Berührung gab. Ich spürte die Macht der Flügel und die seltsame Anziehung des Lichts. Ich spürte, wie mein Bewusstsein sich veränderte und in etwas viel Schlichteres und Direkteres verwandelt wurde. In meinem Kopf sprach ich die Worte und veränderte mich.
    Einen Augenblick lang gab es nur blinde Panik. Ich konnte die Beine nicht von den Flügeln unterscheiden, meine Augen schienen nicht richtig zu funktionieren, ich flatterte und stolperte hilflos am Boden im Kreis herum.
    »Zur Tür«, sagte eine Stimme, und sie erschreckte mich, aber irgendwo gab es da ein Muster, und ich verstand, dass ich dem folgen musste. Ich flog noch ein wenig ziellos umher, aber dann auf den von draußen beleuchteten Spalt unter der Tür zu und kroch dort hinein. Helligkeit, Wärme. Genau das wollte ich. Ich wollte Licht, und das war dort, weit über mir. Ich flog nun mutiger weiter, angezogen von dem Leuchten, wusste, dass ich dorthin gehen musste. Ich musste näher herankommen …
    »Nein, Feuerkind. Tu das nicht. Vergiss nicht, wer du bist. Vergiss nicht das Muster.«
    Die Stimme. Ich sollte auf die Stimme hören. Aber da war dieses Licht. Das Licht verlockte mich so sehr!
    »Du wirst verbrennen, wenn du in die Laterne fliegst. Folge dem Muster. Verliere dich nicht.«
    Irgendwie spürte ich mich selbst, tief drinnen, dank der Ausbildung meines Vaters. Ich war Fainne, Tochter von Ciarán. Diese Mottengestalt war nur eine Hülse, und ich musste ignorieren, wie sie sich von diesem hellen, warmen Glühen angezogen fühlte. Meine hauchdünnen Flügel trugen mich hoch in den Flur, weit oberhalb der verlockenden Laternenflamme. Ich konnte meine seltsame Begleitung nicht sehen, vielleicht war das Eulengeschöpf ja auch hinter der verschlossenen Tür meines Schlafzimmers zurückgeblieben. Aber seine Stimme führte mich immer noch.
    »Gut, Feuerkind. Bleibe du selbst. Überlass dich nicht diesem anderen Geist, denn sonst bist du tatsächlich nichts weiter als die nächste Mahlzeit einer Eule, und nicht einmal eine sonderlich sättigende. Und jetzt hinein mit dir.«
    Ich hatte den Eingang des kleinen Beratungszimmers erreicht. Es war nur gerade eben genug Platz, um zwischen der Eichentür und dem Rahmen hindurchzukriechen. Drinnen gab es mehr Licht: zwei Laternen und außerdem Kerzen. Sie verlockten mich, wie ein klarer Bach einen durstigen Menschen nach einer langen Tagesreise ruft. Es kostete mich große Anstrengung, an der Wand bei der Tür zu bleiben. Mein Sehvermögen war seltsam; es gab keine Farben, nur Hell und Dunkel, und ich konnte weit um mich her sehen, nicht nur geradeaus. Ich konnte kaum begreifen, was meine neuen Augen mir zeigten; es war, als müsste ich wieder vollkommen neu sehen lernen. Also konzentrierte ich mich lieber darauf, was ich hörte, und mit einiger Anstrengung konnte ich die Stimmen von Conor, Sean und Liadan erkennen, und zu meiner Überraschung auch die von Johnny. Wahrscheinlich verdankte ich Johnny, dass dieses Gespräch überhaupt stattfand. Wäre er nicht anwesend gewesen, hätten sie sich vielleicht im Geist und in völligem Schweigen miteinander unterhalten. Nur ein Seher hätte eine solche Beratung bespitzeln können.
    Es war schwer zuzuhören und noch schwerer zu begreifen, was da gesagt wurde. Ein Teil von mir hörte nur Geräusche, gefährliche Geräusche, und ein Teil von mir spürte nur Dunkelheit und Licht: unsichtbare Raubtiere, die überall im Schatten lauerten, und das wundervolle, verlockende, flackernde Licht dort auf dem Tisch, das mich zu sich rief, so intensiv zu sich rief. Konzentriere dich. Denk an das Muster. Ich durfte mich nicht in dieser anderen Sache verlieren. Das Muster bestand darin, zu lauschen, dann zur Tür fliegen, Flur, Tür, Sicherheit. Dann die Auflösung des Zaubers. Zunächst aber lauschen.
    »Ich weiß nicht, was es zu bedeuten hat«, sagte Conor ernst, als hätte er

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