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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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und herrauschen ließen. Das kleine Boot, gerudert von sechs Männern, wurde direkt über einem Strömungswirbel gehalten, die Ruder mit so großer Kunst eingesetzt, dass es beinahe reglos blieb, bis ein Befehl erklang, und dann ließen sie sich von der Flut durch einen Graben zwischen zwei Inseln ins offene Wasser tragen. Wieder und wieder übten sie das, hinein und hinaus, und einmal sah ich Männer im eisigen Wasser schwimmen, bis die Ruderer sie wieder ins Boot zogen. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich Johnny erkennen.
    »Dein Bruder kann gut schwimmen«, stellte ich fest und schlang mein Schultertuch im kalten Wind fester um mich.
    »Ich auch«, erwiderte Coll sofort. »Wenn ich größer bin, werde ich besser sein als er. Ich werde den ganzen Weg bis zum Festland schwimmen. Das hat bis jetzt noch niemand getan.«
    Wieder fühlte ich mich an Eilis erinnert. Vielleicht war diese Art von Selbstvertrauen ja in der Familie erblich.
    »Kannst du schwimmen?«, fragte Coll.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich mag Wasser nicht besonders.«
    »Wenn du willst, bringe ich es dir bei. Im Sommer. Wenn du willst.« Ich hörte an seinem Tonfall, dass es sich um eine Geste von gewaltiger Großzügigkeit handelte.
    »Danke«, sagte ich ernst. »Vielleicht. Ich bin nicht sicher, ob ich es überhaupt lernen könnte.«
    »Jeder kann schwimmen lernen«, sagte Coll. »Es ist ganz einfach.«
    Wie reiten, dachte ich.
    »Du musst schwimmen können, wenn du hier wohnen willst«, stellte er fest.
    »Ich glaube nicht, dass ich hier bleibe. Nicht nach dem Sommer.«
    »Johnny sagt etwas anderes. Er sagt, du würdest einen der Männer heiraten, vielleicht Corentin, weil er klug ist und drei Sprachen spricht, aber vielleicht auch Gareth, weil er ein geduldiger Bewerber ist. Und dann würdest du hier auf der Insel bleiben. Das hat er gesagt. Aber du brauchst sie nicht zu heiraten, wenn du nicht willst«, fügte er hastig hinzu, nachdem er meinen verblüfften Blick bemerkt hatte.
    Zum Glück brauchte ich nicht zu antworten, weil der Hauptmann überraschend vom Übungshof aus auf uns zukam.
    »Coll! Ich habe etwas für dich zu tun, Sohn. Geh runter zum Kai und warte darauf, dass Möwe mit dem Boot hereinkommt. Sag ihm, in der Siedlung ist neues Material angekommen. Er wird jemanden mit einem größeren Boot nach drüben schicken wollen.«
    »Sofort!« Coll machte sich stolz auf den Weg, flink wie eine junge Ziege. Ich wollte aufstehen und gehen, aber Bran hielt mich zurück. Dann überraschte er mich, indem er sich neben mich auf die Steine setzte und auf die Bucht hinausschaute. Er schwieg eine Weile, und nun erst begriff ich, dass er Coll weggeschickt hatte, um sich in Ruhe mit mir unterhalten zu können.
    »Deine Männer werden gut auf den Feldzug vorbereitet sein«, sagte ich schließlich. »Möwe lässt sie ausführlich üben.«
    »Es sind Johnnys Männer, nicht meine«, erklärte er freundlich. »Harrowfield hat mit dieser Sache nichts zu tun; es hat sich immer aus der Fehde herausgehalten. Aber du hast Recht, was Möwe angeht. Er ist unübertrefflich mit kleinen Booten.« Er richtete den Blick auf das Boot, das zwischen den kleineren Inseln verharrte. »Jeder dieser Männer ist bei dem, was er tut, der Beste.«
    »Und dennoch, es ist verblüffend, dass ein Mann mit so verkrüppelten Händen so viel erreichen kann. Es braucht sicher bemerkenswerte Willenskraft.«
    »So ist es.«
    Er klang recht freundlich. Ich glaubte, eine weitere Frage wagen zu können.
    »Wie ist es passiert – wie wurde Möwe auf solche Art verletzt, wie hat er Finger an beiden Händen verlieren können?«
    Der schmale Mund des Hauptmanns verzog sich zu einem unangenehmen Lächeln. »Ein Mann namens Eamonn hat sie ihm mit einem scharfen Messer abgeschnitten«, sagte er leise.
    Ich erstarrte. »Wie bitte?«, flüsterte ich.
    »Es geschah, um mir Informationen zu entlocken; es ging nicht unbedingt um Möwe. Eamonn wollte uns beide um Gnade winseln sehen, bevor er uns umbrachte. Liadan würde dir das nicht erzählen und Möwe auch nicht. Meine Frau hat Eamonn versprochen zu schweigen, und Möwe hat diese Dinge hinter sich gelassen. Aber ich denke, es gibt Versprechen, die gebrochen werden müssen. Du solltest es lieber wissen, Fainne. Der Mann, den du heiraten wolltest, ist ein Schlächter. Seine Hände stinken nach Blut und Verrat. Die vollständige Geschichte wird nie ans Licht kommen, denke ich; nur wenige kennen sie. Es ist gut, dass du nicht mehr in seiner Nähe

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