Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
man dich für etwas bestraft, was du nicht getan hast. Es ist doch ganz klar, wie gern du den kleinen Jungen hast. Ich habe nur die Wahrheit gesagt, das ist alles, und das tut mir nicht Leid. Es ist gut, die Wahrheit zu sagen, selbst wenn es bedeutet, dass man nicht bekommt, was man will.«
    Ich schwieg. Seine Güte beschämte mich. Wir gingen die kleinen Hügel hinauf, in die kleinen Täler hinab und vorbei an grasenden Schafen und Ziegen, die ihren Weg auf den gefährlichen Steinpfaden hoch über dem Meer ohne zu straucheln fanden. Wir mussten uns beeilen, aber andererseits wollte ich mir auch Zeit lassen, denn Erinnerungen stiegen in mir auf, Erinnerungen an die Tage in Kerry, als die Welt noch ein einfacherer Ort gewesen war und zwei Freunde den ganzen Tag draußen zusammen verbringen konnten, ohne dass Angst oder Verlegenheit zwischen ihnen aufkam. Die ersten Gebäude der Siedlung kamen in der Ferne in Sicht. Wir hatten lange geschwiegen. Nun verlangsamten wir unsere Schritte.
    »Fainne?« Darragh war plötzlich sehr ernst.
    »Was ist?«
    »Du weißt, dass ich bald gehen muss. Immerhin bin ich deshalb hier. Als Krieger. Es gibt einen Auftrag und einen Kampf. Ich möchte, dass du mir dein Wort gibst, dass du auf dich aufpasst, während ich weg bin. Sei vorsichtig und denke nach, bevor du etwas tust, und … pass einfach auf dich auf. Ich möchte, dass du hier auf der Insel auf mich wartest.«
    Ich starrte ihn an und begriff kein Wort. »Auf dich warten? Ich glaube nicht, dass ich so etwas versprechen kann. Worauf soll ich warten?«
    Er wurde rot. »Ich hatte gehofft, dass – nun, dass du, wenn alles vorbei ist, der Kampf und so, zulassen wirst, dass ich dich nach Hause bringe, nach Kerry. Ich würde dich gerne wieder bei deinem Vater und in Sicherheit sehen. Ich weiß, dass ich nicht alles haben kann, was ich möchte – das hat er doch gesagt, nicht wahr, der Seher? Aber es ist mir sehr wichtig, dass du in Sicherheit und wieder dort bist, wo du hingehörst. Wirst du nach dem Sommer mit mir gehen?«
    Er hatte es mir schon einmal angeboten, und ich hatte es abgelehnt und geglaubt, mein Herz würde von der Sehnsucht, wieder nach Hause zurückzukehren, brechen. Nun spürte ich nur eine kalte, hoffnungslose Endgültigkeit.
    »Das kann ich nicht versprechen. Ich weiß nicht, was geschehen wird, aber ich glaube nicht, dass ich je zur Bucht zurückkehren werde, Darragh. Es war ein Fehler von dir, hierher zu kommen. Du wirst enttäuscht werden.«
    »O nein. Ich bin hier, und du bist hier. Das ist besser als nichts. Und heute sprichst du mit mir. Das ist schon eine Verbesserung. Wenn ich mich ordentlich anstrenge, bekomme ich vielleicht auch ein Lächeln, vielleicht zu Imbolc. Das wäre wirklich prima.«
    »Es – es tut mir Leid. Es hat bisher nicht viel Grund zum Lächeln gegeben.«
    »Es gibt immer etwas, was einen zum Lächeln bringt, Mädchen. Alberne Dinge, schöne Dinge, der Klang eines Dudelsacks am Abend, der Schein des Kerzenlichts auf dem Haar des Mädchens, ein Witz unter Freunden. Du hast es einfach nur vergessen, das ist alles. Was ist denn los? Jetzt habe ich dich traurig gemacht. Das wollte ich nicht.«
    Seltsam, wie seine Worte diesen kleinen Teil von mir erreichen konnten, den sonst niemand berühren konnte, und dort Gefühle aufwühlten, von denen ich nichts wissen wollte, weil ich sonst wahrscheinlich nicht mit dem, was getan werden musste, weitermachen konnte. Es tat so weh, dass ich die Hände vors Gesicht schlug, aus Angst, dass ich tatsächlich weinen könnte. Die Tränen waren da, nicht weit von der Oberfläche entfernt, aber die Tochter eines Zauberers weint nicht.
    »Was ist denn, Löckchen, was ist los?«
    Sanft legte er seine schlanken Finger auf meine Hände und zog sie weg. »Sag es mir, mein Schatz, sag mir, was los ist.«
    »Ich – ich kann es nicht«, murmelte ich. Ich war nicht im Stande, ihm in die Augen zu sehen, in denen sich seine Sorge und noch etwas anderes spiegelten, das ich nicht deuten wollte. »Ich kann es dir nicht sagen.«
    »Doch, du kannst. Jetzt mach schon. Wir sind doch Freunde, oder?« Er hob die Hand, um das Haar von meiner Schläfe zu streichen, und ließ sie da und streichelte mich sanft.
    »Ich – ich will nicht, dass dir etwas passiert.« Diese Worte waren einfach herausgekommen, obwohl ich mich so anstrengte, sie zurückzuhalten. »Wenn dir etwas zustößt, ist es meine Schuld, und ich glaube nicht, dass ich das ertragen könnte.« Ich presste die Lippen

Weitere Kostenlose Bücher