Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
Vom Netzwerk:
den Verräter, dann kam es mir so vor, als hätten sie kaum eine Chance. Wenn der Meuchelmörder zuschlug, würde der Hauptmann sterben und Tante Liadan würde den Menschen verlieren, den sie als Geliebten, Ehemann und Seelenfreund bezeichnete. Es war sie, die im Mittelpunkt von Eamonns schrecklicher Rache stand. Vielleicht hatte er die ganze Zeit vorgehabt, sie dafür zu bestrafen, dass sie ihn nicht gewollt hatte. Und ich hatte ihm geholfen!
    Ich wartete zitternd, während die Nacht weiter fortschritt. Die Männer würden keine Ruhe finden. Im Morgengrauen würde die Flotte in die Bucht segeln, und sie würden mit den anderen zusammen angreifen, mit Pfeilen, Äxten, Schwertern, bis die Briten auf die Knie fielen und sich ergaben oder bis auf den letzten Mann niedergemetzelt wurden. Es war eine sehr lange Nacht, und der Tag würde noch länger dauern.
    Endlich verblasste das Mondlicht, und der Himmel nahm dieses matte Grau an, das der Morgendämmerung vorausgeht. Diese Männer würden ihre Zweifel nicht laut aussprechen. Johnny war ihr Anführer und das Kind der Prophezeiung. Und alle kannten den Ruf des Hauptmanns. Er hatte noch bei keiner Mission versagt, ganz gleich, wie schwierig sie war. Sie würden zurückkehren. Sie mussten zurückkehren. Also sagte niemand: Wo bleiben sie oder Es wird spät. Tatsächlich sagte keiner ein Wort, aber als sich die Meeresoberfläche von einer tintenschwarzen Decke in eine leicht gewellte Weite aus tiefstem Grün verwandelte und die Möwen begannen, über dem Boot zu kreisen, bemerkte ich eine Grimmigkeit im Blick der Männer und eine Anspannung in ihren Gesichtern, die mich beunruhigte. Wer wusste besser als ich, was die Schwimmer aufgehalten hatte? Ich hockte immer noch am Heck, zitterte vor Angst und Kälte und beobachtete, wie sich die Umrisse der größeren Inseln langsam deutlicher abzeichneten, während der Himmel heller wurde, und ich bezweifelte, dass ich die Kraft haben würde zu fliegen, wenn es notwendig würde.
    Vielleicht war mein Vogelblick ja doch etwas Gutes. Ich sah sie als Erste, nichts anderes als Punkte im Wasser, die im Auf und Ab der Wellen auf uns zukamen. Ich streckte meine verkrampften Flügel, trippelte den Rand des Boots entlang und versuchte, die Aufmerksamkeit der Männer auf mich zu lenken. Aber die Stimme einer Taube ist nicht dazu geeignet, Alarm zu geben. Bald jedoch bemerkten sie selbst die Gruppe von Schwimmern und griffen nach den Rudern, um das Boot näher an sie heranzubringen. Sie waren beinahe zu spät für eine Rückkehr; sie mussten immerhin noch einen Punkt erreichen, wo die wartende Flotte sie sehen konnte, und das Signal zum Angriff geben; die rote Fahne der Tat. Wenn sie zu lange warteten und Northwoods begriff, was geschehen war, würden die Briten Gelegenheit erhalten, sich besser zu verteidigen, Schiffe oder nicht. Das war kein Teil des Plans.
    »Es sind nur drei«, murmelte Godric, als sie näher kamen, »drei, nein, vier –«
    »Etwas stimmt nicht«, sagte Waerfrith und gab das Zeichen, die Ruder zu balancieren, so dass das Boot still im Wasser lag. Die schwimmenden Männer waren nun direkt neben dem Boot; ich konnte das angestrengte Atmen hören und sah ihre umschatteten Augen durch die Löcher in ihren Kapuzen. Ich sah auch, dass von den vier Männern, die hier im kalten Wasser schwammen, einer schlaff und hilflos war, nur vor dem Versinken bewahrt durch den starken Griff eines anderen um seine Brust, und ich konnte das rote Band von Blut sehen, das sich leuchtend wie Mohnblüten durch das dunkle Wasser zog.
    »Schnell«, sagte eine Stimme. »Er ist verwundet. Holt ihn an Bord.« Das war Gareth, der nun nach oben griff, um den verwundeten Mann hochzuschieben, während Godric und Waerfrith ihn ins Boot zogen. Die schwarz gekleidete Gestalt fiel über die Bänke. Waerfrith zog ihr vorsichtig die Kapuze ab und enthüllte die kreidebleichen Züge und das flachsfarbene Haar von Eamonns gedungenem Mörder. Das klare Morgenlicht fiel in seine starrenden blauen Augen, auf seine blutleeren Lippen und den glitzernden Dolchgriff, der tief in seiner Brust steckte.
    »Dieser Mann ist nicht verwundet, er ist tot«, sagte Godric und rollte die Leiche von der Bank und auf den Boden des Boots, damit sie aus dem Weg war. »Holt die anderen schnell herein; die Sonne geht gleich auf.«
    Als Erster kam Gareth, der Unheil verkündend schwieg. Dann ein größerer, dünnerer Mann. Ich sandte ein Dankgebet an die Göttin, obwohl sie Darraghs Leben

Weitere Kostenlose Bücher