Das Kind der Stürme
Recht hatte? Ich hatte das Blut einer verfluchten Linie, einer Linie von Zauberern und Ausgestoßenen. Anscheinend konnte ich nicht dagegen ankommen; es würde sich immer wieder zeigen. Wandten sich meine Schritte nun nicht unvermeidlich der Dunkelheit zu? Ich drehte mich um und floh leise, und die Frau sah mich nicht.
Später hörten wir aus der Siedlung, dass das Mädchen verschwunden war. Sie suchten sie überall, aber niemand erwähnte den toten Fisch, und die Kinder waren zu klein, um etwas erzählen zu können. Bald schon war der Vorfall etwas, das gestern geschehen war. Sie fanden das Mädchen nie. Die Optimistischeren unter ihren Verwandten gingen davon aus, dass sie mit einem Liebsten davongelaufen war und anderswo lebte. Seltsam, sagten sie, sie war so ein gutes Mädchen gewesen.
Danach wurde es schwieriger zu schlafen. Riona blieb in der Truhe. Ich konnte mir vorstellen, wie sie mich im Dunkeln mit ihren kleinen Augen ansah und mir ohne ein Wort Wahrheiten über mich selbst erzählte. Ich wollte nicht hören, was sie zu sagen hatte. Ich wollte nicht denken. Ich kannte viele Kunstgriffe, die Vater mir beigebracht hatte, um die Konzentration zu stärken, Strategien, mit denen man alles ausschließt, woran man nicht denken will. Aber nun schien keine davon zu funktionieren. Stattdessen wiederholte sich die Szene in meinem Kopf wieder und wieder. Großmutters Stimme, die sagte: Skrupel, Fainne? Darragh, der zusah, wie ich das Feuer mit einem Fingerschnippen angezündet hatte. Darragh, wie er unwillig die Stirn runzelte. Du bist eine Gefahr für dich selbst. Und ein kleines Bild eines rothaarigen Mädchens, das weinte und weinte, halb wahnsinnig vor Kummer, die Augen fest zugekniffen, die Hände an den Kopf gedrückt, die Nase triefend, die Stimme heiser vor Schluchzen. Vor allem sie wollte ich nicht mehr sehen. Ich konnte es nicht ertragen, Zeugin solcher Qual zu werden. Ich hätte am liebsten laut geschrien. Ich hätte am liebsten geweint. Ich konnte spüren, wie die Tränen in mir aufstiegen. Aber die von unserer Art weinen nicht. Hör auf! Hör auf!, zischte ich und wünschte sie weit, weit weg. Dann hob sie ihr verquollenes, trauriges Gesicht, und ich erkannte, dass ich selbst dieses Mädchen war.
Nach einem endlosen Winter und einem kalten Frühling kam der Sommer, und das fahrende Volk kehrte zur Bucht zurück. Mein fünfzehnter Geburtstag kam und ging. In diesem Jahr, in dem ich ohne Vaters Einschränkungen hätte umherstreifen können, stieg ich nicht auf den Hügel, um nachzusehen, wie die Schatten den Tag von Darraghs Ankunft vorhersagten. Aber ich hörte die süße, traurige Stimme des Dudelsacks in der stillen Abenddämmerung, und ich wusste, dass er da war. Ein Teil von mir sehnte sich immer noch danach, zu fliehen, hinauf an diesen geheimen Ort zu gehen und bei meinem Freund zu sitzen, aufs Meer hinaus zu schauen, mit ihm zu sprechen oder auch nicht, ganz wie wir wollten. Aber diesmal war es leicht, Gründe zu finden, um nicht zu gehen. Die meisten waren Gründe, über die ich nicht nachdenken wollte, aber sie waren da, tief in mir verborgen. Da war das Mädchen und was ich ihr angetan hatte. Es war offenbar nicht wichtig, dass meine Großmutter mich dazu gezwungen hatte; es war nicht wichtig, dass ich nur vorgehabt hatte, ihr Angst zu machen, dass ich durch unglückliche Umstände davon abgehalten worden war, sie rechtzeitig zurückzuverwandeln. Es war immer noch ich, die es getan hatte, und das machte mich zu einer Mörderin. Ich wusste, was ich getan hatte, war ein Missbrauch meiner Fähigkeiten. Und dennoch, alles was ich hatte, alles, was ich war, verdankte ich meinem Vater. Um ihn zu retten, musste ich bereit sein, das Undenkbare zu tun. Ich hatte mich als stark genug erwiesen. Aber ich wollte nicht, dass mir jemand darüber Fragen stellte. Besonders nicht Darragh. Und es gab noch einen anderen, zwingenderen Grund: etwas, was meine Großmutter eines Tages gesagt hatte.
»Es gibt noch einen weiteren Schritt«, sagte sie mir. »Du hast es gut gemacht. Sogar erheblich besser, als ich erwartet habe, vor allem, was das Endergebnis angeht. Aber es ist leicht, so etwas zu tun, wenn man hasst, und nicht viel schwieriger, wenn dir jemand gleichgültig ist. Du wirst vielleicht noch mehr tun müssen als das. Sag mir, Fainne, hast du Freunde? Gibt es jemanden, den du besonders gerne hast?«
Ich dachte sehr schnell und segnete die Unfähigkeit meiner Großmutter, Gedanken zu lesen.
»Nein«, sagte
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