Das Kind des Schattens
kreisförmige Lichtung, beobachteten, und jene, die sich nicht fortbewegen konnten, waren trotzdem anwesend, sie hatten ihre Aufmerksamkeit auf diesen Ort gelenkt und sahen durch die Augen derer, die hier versammelt waren.
Als er sich näherte, machten sie für ihn Platz, einige bereitwilliger als andere, und es fiel ihm auf. Immerhin war er schließlich der Sohn Cernans. Sie machten Platz, damit er zur Lichtung durchgehen könne.
Und so durchquerte er den Kreis dieser schattenhaften Gesellschaft, gelangte unmittelbar an den Rand der Lichtung, und als er sie betrat, sah er Lancelot verzweifelt im Sternenlicht um sein und Dariens Leben kämpfen.
Flidais hatte lange Zeit gelebt, aber er hatte den Ältesten bisher erst einmal gesehen, und zwar in jener Nacht, als sich ganz Pendaran wie auch heute versammelt hatte. Damals war Curdardh aus der Erde hervorgebrochen, um Amairgen von Brennin zu erschlagen, der es gewagt hatte, eine Nacht in der Lichtung zu verbringen. Zu dieser Zeit war Flidais sehr jung gewesen, aber da er schon immer ein kluges, aufmerksames Kind war, konnte er sich deutlich erinnern: Der Dämon hatte es nicht einmal für nötig gehalten, seinen Hammer zur Hand zu nehmen, er hatte versucht, das Bewusstsein des vermessenen Eindringlings zu erdrücken und zu überwältigen, denn dieser war ja nur ein Sterblicher und würde ihm niemals widerstehen können. Und trotzdem, erinnerte sich Flidais, hatte Amairgen sich durchsetzen können. Mit einem eisernen Willen und Mut, wie Cernans jüngster Sohn ihn in all den Jahren, die inzwischen abgelaufen waren, nie mehr erlebte, hatte Amairgen sich gegen den Ältesten zur Wehr gesetzt und dabei den Sieg errungen.
Aber nur, weil ihm geholfen wurde.
Flidais würde niemals vergessen, wie erregt und erschrocken er war, als er plötzlich bemerkte, dass Mörnir in den Kampf eingriff. (Es war so aufregend wie der Geschmack des verbotenen Weines in Machas Wolkenpalast oder der erste und einzige Blick, den er auf Ceinwen werfen konnte, als sie nackt ihrem Teich im Faelinnhain entstieg.) Am Ende des Kampfes hatte Amairgen Curdardh in der Stunde vor Morgengrauen zurückgetrieben, und der Gott, der später mit der furchterregenden Autorität seiner Donnerstimme behauptete, dass er durch Amairgens Sieg gerufen und gebunden worden war, schickte dem Sterblichen seinen eigenen Gruß hinab und gewährte ihm auf diese Weise die Runen der Himmelstradition.
Später hatte sich Mörnir dann mit Dana auseinandersetzen müssen, was ein Chaos unter den Göttinnen und Göttern hervorgerufen hatte. Und das, dachte Flidais, der nun tausend Jahre später wieder in derselben Lichtung stand, hatte nichts und alles mit den gegenwärtig ablaufenden Geschehnissen zu tun. Als er die Gestalten, die hier unter den Sternen kämpften, beobachtete, offenbarten sich dem kleinen Andain zwei deutliche Wahrheiten: Aus irgendeinem unbekannten Grund … und Flidais wusste noch nichts von Lancelots Aufenthalt bei den Toten in Cader Sedat … verwendete der Dämon nicht nur die Kraft seines Bewusstseins in diesem Kampf, sondern auch seinen Hammer und seine schreckliche physische Gegenwart. Das war das eine, was er bemerkte. Das zweite aber war, dass Lancelot ohne irgendeine fremde Hilfe allein kämpfte, nur mit seinem Schwert und mit seiner virtuosen Kunstfertigkeit.
Und das hieß für den beobachtenden Andain, dass er nicht gewinnen konnte, trotz allem, was er war und immer gewesen war: unvergleichlich unter allen Sterblichen in allen Welten des Webers.
Flidais erinnerte sich mit strahlender Klarheit an diese Zeit, als er Taliesin in Camelot gewesen war und diesen Mann zum ersten Mal hatte kämpfen sehen. Und nun schnürte es ihm die Kehle zu, wie dieser verblüffende Mut der Verzweiflung hier vergeudet wurde. Er war über sich selbst erstaunt: Von den Andain erwartete man nicht, dass sie sich um die Angelegenheiten von Sterblichen kümmerten, selbst wenn es ein Lancelot war, und außerdem war er selbst ein Wächter des Waldes, und dieser Mann entweihte den Heiligen Hain. Seine eigene Zugehörigkeit, seine eigene Pflicht hätten so klar und deutlich sein sollen, wie der Kreis des Himmels über der Lichtung.
Noch vor einem Tag und vielleicht mit jemand anderem wäre es vielleicht auch so gewesen. Aber nun nicht mehr und nicht mit Lancelot. Das Sternenlicht schärfte Flidais’ Augen, er sah zu und verriet seine alte Treuepflicht, indem er sich grämte über das, was er da miterleben musste.
Curdardh
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