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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Kristallbearbeitung in eine Kammer gebracht werden. Jeder von euch wird mit seiner ganzen Kunstfertigkeit ein Bild gestalten, wie es ihm beliebt. Wenn sich dann heute Nacht die Dunkelheit herabsenkt, werdet ihr die 99 Stufen zum Wiesentor hinaufsteigen, das von Banir Tal zum Calor Diman führt, und ihr werdet eure Kunstwerke in den Kristallsee werfen. Von der Zwergenversammlung werden ich und Ingen dort anwesend sein. Außerdem darf jeder von euch zwei mit sich nehmen, die für ihn zeugen können. Es ist noch nicht Vollmond, und deshalb nicht die richtige Nacht zur Ernennung eines Königs, aber wir waren auch niemals zuvor mit einer Situation wie dieser konfrontiert. Wir werden es dem See überlassen.«
    Ein Ort, schöner als alle anderen in allen anderen Welten, hatte Matt Sören vor langer Zeit, bevor sie zum ersten Mal von einer Welt in die andere übersetzten, den Calor Diman genannt. Damals waren sie noch im Park Plaza Hotel gewesen: fünf Menschen aus Toronto, auf dem Weg in eine andere Welt, um dort zwei Wochen die Feste eines Großkönigs mitzufeiern.
    Ein Ort, schöner …
    Ein Ort des Gerichtes. Und es könnte das Jüngste Gericht sein.

 
Kapitel 11
     
    Am selben Tag, an dem die Zwerge von den Zwillingsbergen sich auf das Urteil ihres Sees vorbereiteten, warf Gereint, der Schamane, der mit übergeschlagenen Beinen auf der Matte in seinem dunklen Haus saß, das Netz seiner Aufmerksamkeit über Fionavar aus und vibrierte wie eine Harfe bei dem, was er spürte.
    Alles würde nun schon sehr bald dem Höhepunkt zusteuern. Wie eine alte braune Spinne im Mittelpunkt ihres Netzes ging er von diesem entlegenen Landstrich im Osten des Latham aus und konnte kraft seiner Blindheit viele Dinge sehen.
    Aber was er suchte, fand er nicht. Er wollte die Seherin. Er fühlte sich so hilflos fern von den Geschehnissen und forschte nach der hellen Aura von Kimberlys Anwesenheit, tastete verzweifelt nach einem Hinweis darauf, was sich auf dem Gewebe des Krieges entspann. Am Morgen zuvor hatte Davor ihm mitgeteilt, dass er die Seherin zu einem Cottage am See bei Paras Derval gebracht hatte, und da Gereint Ysanne lange und gut gekannt hatte, wusste er, wo dieses Cottage lag.
    Als er jedoch zu diesem Ort hinreichte, fand er nur die uralte grüne Macht, die unter dem Wasser weilte, von Kim aber keine Spur. Er wusste nicht … wie hätte er es auch wissen können, dass sie, nachdem Tabor sie an diesem Ufer abgesetzt hatte, bereits mit der angezapften Kraft des Avarlith zu Lisens Turm gereist war und in derselben Nacht noch mit dem roten Flammen ihrer eigenen wilden Magie über die Berge nach Banir Lök gelangt war.
    Und das Gebirge konnte er nicht überqueren, wenn er nicht mit seiner Seele reiste. Aber da er erst kürzlich von einem solchen Unternehmen über den Wogen des Meeres zurückgekehrt war, konnte er das nicht schon wieder tun.
    So war sie ihm also verloren gegangen, aber er fühlte die Anwesenheit anderer Mächte, es waren Lichter auf einer Landstraße in der Dunkelheit seines Geistes. Die anderen Schamanen waren alle in seiner Nähe, hier neben dem Latham, sie saßen in ihren Häusern, die dem seinen ähnelten. Ihre Augen waren wie die Glühspuren ihrer Leuchtkäfer in der Nacht, sie waren zufällig und ungreifbar. Dort würde er keine Hilfe, keinen Trost finden. Unter den Schamanen der Ebene war er seit seiner Blendung der Größte. Wenn irgendeiner von ihnen noch eine Rolle in den kommenden Geschehnissen spielen würde, dann nur er … trotz seines Alters.
    Es klopfte an der Tür. Er hatte bereits die Schritte gehört, die sich von draußen näherten. Er unterdrückte seinen aufkommenden Unmut über die Störung, da er sowohl den Rhythmus der Schritte wie auch des Klopfens erkannte.
    »Komm herein«, rief er, »was kann ich für dich tun, Gattin des Aven?«
    »Liane und ich haben dir ein Mittagessen gebracht«, antwortete Leith in ihrem lebhaften Tonfall.
    »Gut«, sagte er mit Nachdruck, obwohl er diesmal nicht hungrig war. Auch fühlte er sich ein wenig unbehaglich: Offensichtlich ließ auch sein Gehör nach, denn er hatte nur die Fußschritte einer Person registriert. Beide Frauen traten ein, und Liane streifte seine Wange mit ihren Lippen.
    »Zu mehr reicht es nicht?« brummelte er zum Scherz. Sie drückte seine Hand, und er erwiderte ihren Händedruck. Er hätte es heftig geleugnet, wenn man ihn gefragt hätte, aber in seinem Herzen hatte Gereint Ivors Tochter seit langem als sein Lieblingskind im ganzen Stamm

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