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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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bis die Sonne verschwunden war und die Sterne und der Webstuhl ihre Bahn gezogen hatten.
    »Dann kommt«, forderte sie ihn kurz auf und führte ihn von diesem Ort der sanftesten Schönheit und Bezauberung hinweg, um nach Darien zu suchen.
    Seite an Seite wanderten sie an der Südgrenze von Daniloth entlang, sie hielten einen kleinen Abstand voneinander ein, wirklich klein, denn es war ihm zutiefst bewusst, was mit ihr geschehen war. Sie sprachen nicht. Überall in ihrer Umgebung breiteten sich gedämpft schimmernde, freundliche grasbewachsene Hügel aus. Bäche sprudelten und nährten mit ihrem Wasser kleine zartfarbene Blumen an ihren Ufern. Einmal kniete er nieder, um aus einem dieser Rinnsale zu trinken, aber sie schüttelte schnell den Kopf, und er verzichtete darauf.
    Aber als er seine Hand zur Höhlung formte, um daraus zu trinken, hatte sie seine Handinnenfläche gesehen, und als er dann wieder aufgestanden war, nahm sie sie in ihre beiden Hände und betrachtete seine Wunde. Nun fühlte er den Schmerz, und er spiegelte sich deutlicher und schärfer in ihren Augen, als er ihn empfunden hatte, während er im Heiligen Hain den schwarzen Hammer hob.
    Sie fragte nicht. Langsam ließ sie seine Hand wieder los, und dies geschah, als wolle sie sie einer ganzen Welt zurückgeben, mit der sie nicht in Kontakt stand … und dann gingen sie weiter. Es war sehr still. Sie begegneten niemandem, während sie voranschritten.
    Nur einmal trafen sie einen Mann im Harnisch, der ein Schwert trug und dessen Gesicht vor Wut und Angst verzerrt war. Es schien Lancelot, als sei er an diesem Platz bewegungslos eingefroren, sein Fuß hing in der Luft, den weiten, energischen Schritt, den er begonnen hatte, würde er niemals mehr vollenden.
    Lancelot blickte auf Leyse, die weiß gekleidet neben ihm einherging, sagte jedoch nichts.
    Ein anderes Mal war es ihm, als höre er ein Geräusch wie von Pferden, die aus großer Nähe auf sie zustürmten. Er drehte sich auf dem Absatz um, um sie instinktiv zu schützen, aber er konnte niemand entdecken, der vorbeiritt, weder Freund noch Feind. Aus der Bewegung ihrer Augen konnte er jedoch entnehmen, dass sie tatsächlich eine Gruppe von Reitern sah, die vielleicht mitten zwischen ihnen durchritten, und die auf andere Weise ebenfalls in den Nebeln von Daniloth verschwunden waren.
    Er lockerte seinen Griff auf ihrem Arm, entschuldigte sich. Sie schüttelte den Kopf, mit einer Traurigkeit, die ihn wie eine Messerklinge durchfuhr.
    Sie sprach: »Dieses Land ist immer sehr gefährlich für alle außer uns selbst gewesen, und zwar noch vor Lathen Nebelwebers Zeit, als diese Schatten herniedergingen. Diese Männer waren Reiter aus der Zeit vor dem Bael Rangat, und sie sind hoffnungslos verirrt. Wir können nichts für sie tun. Sie sind in keiner Zeit, die wir kennen, so dass wir zu ihnen sprechen oder sie retten könnten. Wenn wir Zeit hätten, um zu erzählen, könnte ich die Geschichte von Revor vor Euch ausspinnen, der dieses Schicksal im Dienste des Lichts vor tausend Jahren riskiert hat.«
    »Hätten wir Zeit zu erzählen«, versicherte er, »würde es mir Vergnügen bereiten.«
    Sie schien noch etwas anderes sagen zu wollen, aber in diesem Augenblick sahen ihre Augen … sie waren jetzt von einem blassen, ruhigen Blau, wie die letzten Blumen, die an ihrem Weg gestanden hatten … an ihm vorbei, und er drehte sich um. Im Westen von ihm wuchsen zum Dickicht verwachsene Bäume. Ihre Blätter waren selbst jetzt, im Hochsommer, bunt gefärbt, und der Wald war wunderschön und schien Frieden, ruhigen Schatten zu versprechen, es war ein Ort, wo das Sonnenlicht schräg durch die Blätter fiel, wo ein Bach in der Nähe murmelte.
    Über dem südlichsten der Bäume dieses Gehölzes, am äußersten Ende von Daniloth, hing eine Eule bewegungslos mit ausgebreiteten Schwingen in der klaren Morgenluft.
    Lancelot sah genau hin und erblickte die Hülle eines Dolches, die im Schnabel der Eule steckte und im milden Licht bläulich blinkte. Er wandte sich wieder der Frau neben ihm zu. Ihre Augen hatten die Farbe gewechselt. Jetzt, da sie auf die Eule schaute, waren sie dunkel geworden.
    »Diesen nicht«, bat sie, noch bevor er sprechen konnte. Er hörte die Angst und die Ablehnung in ihrer Stimme: »O mein Herr, doch sicher nicht diesen?«
    Er entgegnete: »Das ist das Kind, dem ich folgen muss, das ich schützen muss. Das ist mein Auftrag.«
    »Kannst du nicht das Böse in ihm sehen?« schrie Leyse. Ihre Stimme klang

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