Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
Vom Netzwerk:
in Faelinn zum ersten Mal, dann Oweins Horn und nun diese ihre eigene Hingabe, um den Schmerz zu nehmen.
    Mit alledem hatte er recht, aber was Ceinwen getan hatte, war noch viel mehr, obwohl nicht einmal die intelligentesten unter den Sterblichen es verstanden hätten. So sollte es sein, und so war es ja auch immer gewesen. Immerhin aber wussten es Macha und die Rote Nemain und mit aller Sicherheit auch Dana, die Mutter. Die Götter errieten es vielleicht, vielleicht auch manche von den Andain, die Göttinnen aber wussten es.
    Die Sonne ging auf. Dave erhob sich und blickte sich um. Der Himmel über ihm war strahlend hell und wolkenlos. Es war ein wunderbarer Morgen. Ungefähr eine Meile nördlich von dem Platz, wo er sich befand, funkelte der Adein, und an seinem Ufer bewegten sich Männer und Pferde. Etwas weiter entfernt im Osten konnte er die aufgerichteten Steine sehen, die Celidon, die die Mitte der Ebene umgaben und genau bestimmten, es war die Heimat des ersten Stammes der Dalrei und der Versammlungsplatz aller Stämme. Dort war auch Bewegung, waren Lebenszeichen. Aber wer war es und wie viele?
    Nicht alle müssen sterben, hatte Ceinwen vor einem Jahr zu ihm gesagt und nun wieder in der vergangenen Nacht. Vielleicht nicht alle, aber die Schlacht war grauenvoll und sehr schlimm gewesen, und viele waren gestorben.
    Die Ereignisse des Abends und der vorhergehenden Nacht hatten ihn verändert, trotzdem war Dave aber im großen und ganzen das geblieben, was er immer gewesen war, und so spürte er auch einen unbehaglichen Knoten von Angst in seinem Bauch, als er vom Hügel hinabschritt und schnell zum Flussufer hinüberging, wo er die Bewegung wahrgenommen hatte.
    Wer? Und wie viele? Es war so ein Chaos gewesen, eine so schmutzige blutbespritzte Wirrnis. Die Wölfe, die Lios, wie sie ankamen, Avaias Brut im dunkelnden Himmel, und dann, nachdem er ins Horn gestoßen hatte, noch etwas anderes am Himmel, etwas Wildes, Unbegreifliches. Owein und die Könige. Und das Kind. Sie führten den Tod mit sich, sie ließen ihn in Erscheinung treten. Er beschleunigte seinen Schritt so sehr, dass er fast rannte. Wer?
    Dann erhielt er den Teil einer Antwort, er blieb unvermittelt stehen, fast ein wenig schwach vor Erleichterung. Aus dem Menschenhaufen neben dem Adein waren auf einmal zwei Pferde ausgeschert, das eine war dunkelgrau, das andere braun, fast golden, sie rasten auf ihn zu, und er erkannte beide. Auch ihre Reiter erkannte er. Die Pferde donnerten auf ihn zu, die Reiter sprangen ab, fast noch bevor die Pferde zum Stand kamen, sie taten es mit jener angeborenen, unbewußten Leichtigkeit der Dalrei. Und Dave stand jenen Männern gegenüber, die in einer Nacht in Penderan seine Brüder geworden waren.
    Alle drei verspürten Freude und Erleichterung, jeder zeigte es auf seine Weise, sie umarmten sich jedoch nicht.
    »Ivor?« fragte Dave. Nur dieser Name …
    »Es geht ihm gut«, beschied ihm Levon ruhig. »Einige Wunden, aber keine ist wirklich ernsthaft.« Dave sah, dass Levon selbst eine kurze tiefe Narbe auf seiner Schläfe hatte, die sich bis an den Ansatz seiner gelben Haare hinaufzog.
    »Wir haben deine Axt gefunden«, erklärte Levon. »Am Flussufer … Aber keiner hat dich gesehen, nachdem du … nachdem du in das Horn gestoßen hast, Davor.«
    »Und heute morgen«, fuhr Torc fort, »waren alle Toten weg, und wir konnten dich nicht finden …« Er führte den Gedanken nicht zu Ende.
    Dave holte kurz Atem und ließ ihn langsam wieder entweichen. »Ceinwen?« fragte er. »Habt ihr ihre Stimme gehört?«
    Die beiden Dalrei nickten wortlos.
    »Sie hat die Jagd angehalten«, berichtete Dave, »und dann führte sie … führte mich weg. Als ich aufwachte, war sie mit mir zusammen und teilte mir mit, dass sie … dass sie … die Toten aufgesammelt hätte.« Mehr sagte er nicht. Der Rest gehörte nur ihm allein, er konnte nicht darüber sprechen.
    Er sah, wie Levon, schnell wie immer, an ihm vorbei auf den Hügel blickte, und dann schaute auch Torc hinüber. Ein langes Schweigen folgte. Dave konnte die Frische der Morgenbrise spüren, er konnte sehen, wie sie über das hohe Gras der Ebene wehte. Dann nahm er mit einem Stich im Herzen wahr, wie Torc, der sonst so beherrscht war, lautlos zu weinen begann, als er seine Augen auf den Totenhügel richtete.
    »So viele«, murmelte Torc, »sie haben so viele von uns und von den Lios … getötet.«
    »Mabon von Rhoden hat eine schwere Schulterwunde davongetragen«, erzählte

Weitere Kostenlose Bücher