Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
Vom Netzwerk:
Eindringling nahte, zwei sogar, der eine war jetzt schon hier, und der andere war im Kommen und würde sehr bald eintreffen.
    Den einen, der noch ferner war, kannte und fürchtete er, denn es war sein eigener Herr, der Herr aller Andain und der mächtigste von ihnen, den anderen aber, der in diesem Augenblick unter ihnen stand, kannte er nicht, und ebenso war er auch den Kräften des Waldes unbekannt, was ihnen Schrecken verursachte. Ihre Angst aber verwandelte sich in Wut, und er konnte diese jetzt als ein Rütteln und Stürmen verspüren, welches die Wirkung des Windes auf dem Balkon noch übertraf.
    Seid ruhig, versuchte er ihnen zu übermitteln, obwohl er selbst alles andere als ruhig war. Ich will hinuntergehen. Ich werde mich darum kümmern.
    Zu den beiden andern, dem Lios Alfar und der Frau, die er als Guinevere kennen gelernt hatte, sagte er kurz angebunden: »Es ist jemand gekommen, und außerdem ist Galadan gerade auf dem Weg hierher.«
    Er sah, wie sie Blicke tauschten, und spürte, wie sich die Spannung im Raum verdichtete. Er glaubte, dass sie seine eigene Angst spiegelten, denn er wusste nichts von ihrer gemeinsamen Erinnerung an den Wolfsfürsten von jener Begegnung, die vor kaum mehr als einem Jahr in einem Wald östlich von Paras Derval stattgefunden hatte.
    »Erwartet ihr jemanden?« fragte er. »Wer könnte euch hierher folgen?«
    »Wirklich, wem könnte dies überhaupt gelingen?« antwortete Brendel schnell.
    Der Lios hatte plötzlich ein Strahlen um sich, als ob er seinen Mantel abgelegt habe und seine wirkliche Natur nun durchscheine. »Niemand ist auf dem Meer gekommen, das hätten Wir gesehen … und wie könnte jemand den Wald durchquert haben?«
    »Er müsste stärker sein als der Wald«, antwortete Flidais und ärgerte sich über den Anflug von Furcht, der in seiner Stimme mitschwang.
    Brendel war bereits an der Wendeltreppe. »Jennifer, warte hier. Wir werden hinuntergehen und uns darum kümmern. Schließe das Tor hinter uns und öffne nur, wenn du die Stimme von einem von uns hörst.« Während er sprach, lockerte er sein Kurzschwert in der Scheide und wandte sich dann an Flidais: »Wann wird Galadan ankommen?«
    Der Andain schickte die Frage zum Wald hinaus, empfing von dort die Antwort und teilte sie Brendel mit: »In vielleicht einer halben Stunde, er läuft sehr schnell in seiner Wolfsgestalt.«
    »Wirst du mir helfen?« fragte ihn Brendel geradeheraus.
    Und das war wirklich zweifelhaft, denn der Andain kümmerte sich nur selten um die Angelegenheiten Sterblicher, und noch seltener griff er in sie ein. Aber hier verfolgte Flidais einen Zweck, es war sein ältestes, tiefstes Verlangen, und deshalb versuchte er, Zeit zu gewinnen. »Ich werde mit dir hinuntergehen. Ich habe dem Wald mitgeteilt, dass ich nachschauen würde, wer es ist.«
    Brendel sah, dass Jennifer wieder sehr blass geworden war, doch ihre Hände waren ruhig, den Kopf hielt sie hoch erhoben, und wieder einmal bewunderte er sie für ihren unerschütterlichen Mut, als sie erklärte: »Ich werde hinuntergehen. Wer auch immer gekommen ist, ist meinetwegen gekommen; vielleicht ist es ein Freund.«
    »Vielleicht auch nicht«, antwortete Brendel ernst.
    »Dann wäre ich auch in diesem Raum nicht sicherer«, antwortete sie ruhig und wartete an der Wendeltreppe, dass er sie hinabführe. Er zögerte noch einen Augenblick, dann wurden seine Augen so grün wie die ihren. Er nahm ihre Hand und führte sie zuerst zu seiner Stirn, dann zu seinen Lippen, um sich dann mit nunmehr gezogenem Schwert nach unten zu wenden.
    Sein Schritt auf den Steintreppen war schnell und leicht. Sie folgte ihm, und nach ihnen kam Flidais, in dessen Kopf die Gedanken hin und her jagten, der mit wildesten Überlegungen und Möglichkeiten jonglierte und verzweifelt seine Erregung zu ersticken suchte.
    Sobald sie an den Strand hinunterkamen, sahen sie Darien beim Fluss stehen.
    Der Wind trug Gischt vom Meer herein, schleuderte sie ans Land, so dass sie wie Peitschenhiebe auftraf, und während sie ihm nachgegangen waren, hatte sich der Himmel noch verdunkelt. Er war nun violett von roten Streifen durchzogen, und jenseits der sich türmenden Wogen rollte der Donner draußen auf dem Meer.
    Aber davon merkte Brendel von den Lios Alfar, der den Ankömmling sofort erkannt hatte, überhaupt nichts. Schnellstens drehte er sich auf dem Absatz um und ließ Jennifer eine Warnung zukommen, damit sie Zeit habe, sich auf die Begegnung vorzubereiten. Dann aber entnahm er aus

Weitere Kostenlose Bücher